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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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das hier nicht, stimmt’s?“
    „Sonst würde es doch auch keinen Spaß machen. Jetzt gib mir bitte das Zaumzeug. Dir nützt es noch nichts. Und lass das Pferd nicht ins Wasser gehen, das ist das Wichtigste.“
    „Nicht ins Wasser gehen“, wiederholte ich, während er mir das Zaumzeug aus der Hand nahm.
    „Wenn du ins Wasser gehst, bist du tot. Und jetzt hör zu: Du sollst das Pferd nicht zähmen, sondern ihm einen Tausch anbieten. Du bietest dich im Tausch gegen seine Freiheit an.“
    „Wie bei einem Eheverbund“, sagte ich.
    Conal unterdrückte ein Lachen. „So ähnlich. Aber auch anders. Das hier ist ein Pferd!“
    Ich sah ihn grinsend an, aber offenbar mochte das Pferd es nicht, wenn ich ihm den Rücken zudrehte. Mit einem verärgerten Schnauben schüttelte es den Kopf, sodass ich wieder zu ihm hinüberschauen musste. Dann neigte es sanft den Kopf. Es sah ein bisschen aus wie eine Einladung.
    „Finde seinen Geist, das ist der erste Schritt“, bläute mein Bruder mir ein. „Finde seinen Geist und dann bleib dort, bleib drauf.“
    „Drauf?“
    „Du wirst natürlich auf seinen Rücken steigen müssen.“
    Ich schluckte trocken. „Ich muss auf seinen Rücken steigen.“ Mir war bewusst, wie matt sich meine Stimme anhörte, und ich schämte mich. Aber was hatte ich denn erwartet? Dass ich diesem Wasserpferd nur das Zaumzeug anzulegen brauchte und es mir lammfromm in den Stall der Festung folgen würde? Ich suchte und fand Conals Blick.
    Lächelnd ließ mein Bruder das Zaumzeug seitlich hin und her schwingen. „Was Besseres gibt es nicht“, sagte er.
    Geschmeidige Haut unter meiner Hand. Das Fell glänzte schillernd, als ich dem Tier über den Nacken strich, es legte die Haare a n – und stellte sie gleich wieder auf. Warm glitt sein Atem über meinen Nacken, mit weichen Lippen knabberte es sanft an meinen geschorenen Haaren. In der Ferne schrie ein Nachtvogel.
    Als ich meine Hand zur Schulter hinuntergleiten und auf seinem Brustkorb ruhen ließ, pochte sein Herz gegen meine Handfläche. Winzige Muskeln zuckten, das Fleisch erbebte, als ich seinen Widerrist berührte. Sein Herzschla g – schnell und stark. Und ein anderer Herzschlag antwortete ihm. Der meine.
    Ich spürte die Körperwärme des Pferdes, als es sich an mich lehnte. Ich verlagerte das Gewicht auf das andere Bein, spürte das leichte Vibrieren und Federn der Muskeln unter meiner Berührung, schlang ihm für einen Augenblick die Arme um den Nacken, und die Schönheit und Kraft des Tieres überwältigte mich.
    Und dan n – der schiere Wahnsinn.
    Nichts anderes auf der Welt hätte sich so schnell bewegen können. Nachtluft flutete meine Lunge, als das Pferd nach vorne stürzte. Ich schlang meine Finger in seine seidene Mähne, krallte mich in Todesangst fest. Ich zwang mich auszuatmen, wieder einzuatmen. Ein Kraftpaket zitterte unter mir, stürmte in Richtung des Hügels, der am dunklen Nordufer des schwarzen Sees aufragte. Hätte mein Herz noch stärker geschlage n – es hätte mir den Brustkorb gesprengt. Den Geist des Pferdes finden? Ich fand doch meinen eigenen kaum noch!
    Der Anstieg bereitete dem Tier keine Mühe. Mit mächtigen Vorderläufen fraß es sich den Hügel hinauf, als wäre er eine Rennstrecke, und ich spürte die Kraft, mit der seine Hinterbeine uns voranschoben. Bei allen Göttern, selbst wenn ich in dieser Nacht sterben sollt e – diese Erfahrung hätte ich um nichts auf der Welt missen wollen.
    Als das Pferd auf der Kuppe angekommen war, taten sich das ganze Moor und die Hügellandschaft unter mir auf, und am Horizont sah ich die zerklüftete Wölbung der Erde. Ich konnte nicht absteigen. Ich wollte es auch nicht. Immer wieder brach das Tier zur Seite aus und warf den Kopf herum, um sich an meiner Ehrfurcht und meiner Panik zu ergötzen. Seine Kiefer öffneten sich zu einem wissenden Grinsen, wieder blitzten die Fangzähne auf. Und dann stürzte es plötzlich den steilen Abhang hinunter, hielt auf das schwarze Wasser zu, auf seine Höhle.
    Murlainn!
    Conals Schrei drang in meinen Kopf, kristallklar wie die Nacht. Ein fremder Name, aber ich kannte ihn dennoch, hatte ihn schon immer gekannt. Die Freude des Wiedererkennens verjagte die Angst aus meinem Kopf, und statt gegen das Pferd anzukämpfen, bohrte ich meine Fersen in seine Flanken und trieb es an.
    Ich spürte seine Überraschung, sein kaum merkliches Zögern. Dann flog es weiter den Hügel hinunter und ich flog mit, gemeinsam stürzten wir wie ein Falke ins

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