Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
erwischte Eili mich dabei, wie ich Kate heimlich betrachtete, und sie zog mich damit auf. Überhaupt neckten wir einander sehr oft, wir alle drei. Das half uns, gegen die grässliche Langeweile anzukämpfen.
„Du bist verhext“, sagte Eili eines Tages. Sie hatte mich dabei ertappt, wie ich hinter dem Bogengang herumlungerte, der zu Kates Festsaal führte. Im Saal war es laut an diesem Tag und es wimmelte nur so von Menschen. Oder war es Nacht? Hier unten war das schwer zu erkennen. Kate ruhte majestätisch in einem Sessel, der auf einem Podest thronte, damit ihr Volk sie gut sehen und verehren konnte. Es war einer der Tage, an denen sie Hof hielt, und im Saal hatten sich Besucher, Höflinge und Hauptmänner versammelt. Eili knuffte mich in die Seite. „Die hat dich verhext.“
„Unsinn“, sagte ich und lief rot an. „Sie ist einfach nur bezaubernd, ich sehe sie gern an, was ist daran verkehrt?“
„Du bist in sie verliebt“, neckte mich Eili.
„Bin ich nicht“, entgegnete ich mit trockener Kehle. Aber irgendwie hatte mich Kate durchaus in ihren Bann gezogen. Vielleicht hätte ich das ausnutzen sollen, um Eili eifersüchtig zu machen, aber ich war noch jung und ein Grünschnabel und wusste anders als heute nichts über Liebe und Betrug. Ich wollte sie nicht eifersüchtig machen, wollte ihr niemals auch nur im Entferntesten wehtun, auch nicht an ihrem unverbrüchlichen Stolz kratzen. „Sie ist schön, das ist alles. Aber das ist meine Mutter auch, und in die bin ich eindeutig nicht verliebt.“
„Lilith?“, sagte Eili und ihre Stimme troff vor Verachtung. „Lilith und schön?“
Ich starrte sie an. Sie war auf einmal so laut und barsch und ihr spöttischer Tonfall empörte mich. Im Nachhinein denke ich, dass es an der Langeweile lag, unter der wir alle litten. Sie, ich, wir alle. Die Langeweile zerrte an unseren Nerven.
„Komm schon“, versuchte ich sie zu besänftigen und das Gespräch wieder in unverfängliche Bahnen zu lenken. „Du musst nicht patzig werden. Du bist auch schön.“
„Ich bin nicht schön.“ Eili tat meine Worte mit einer Handbewegung ab. „Fox. Fox ist schön.“
Damit hatte sie absolut Recht. Eine gewisse herbe Schönheit war unserer ganzen Rasse eigen, aber Fox’ Gesichtszüge waren irgendwie weicher und nicht so kalt, das Wort Schönheit passte besser zu ihm als zu den meisten anderen von uns.
Auf einmal wurde mir auf unangenehme Art bewusst, dass Eili nicht auf ihren geistigen Schutzwall achtete, dass die Stimmen um uns herum langsam verstummten und Eilis laute Worte die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zogen. Die ersten drehten sich schon zu uns um. Eili bekam es ebenfalls mit, aber ihr war langweilig, sie hatte schlechte Laune und dachte daher nicht daran, leiser zu sprechen.
„Lilith hat dich im Stich gelassen“, sagte sie geradeheraus. „Hat dich bei deinem Vater ausgesetzt, den sie nicht halten konnte. Was ist das für eine Mutter? Mag sein, dass sie hübsch ist. Aber mein Bruder, der ist schön . Wahrhaft schön. Und vor allem“, siegesgewiss zog sie ihren letzten Trumpf aus dem Ärmel, „auch von innen .“
Um uns herum war alles still. Die Menge teilte sich und bildete ängstlich eine Schneise, durch die meine Mutter, anmutig wie eine Viper, auf uns zuschlängelte. Sie lächelte, aber niemand wagte es, sich ihr in den Weg zu stellen, als sie sich von Kates Seite löste und mitten durch den Saal zu uns kam. Sie blieb direkt vor Eili stehen, die ihrem eisigen Blick mit Gleichgültigkeit begegnete.
„Holt ihren Bruder hierher“, sagte Lilith in die furchtbare Stille hinein.
Eili rang erschrocken nach Luft. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass Lilith nach Fox verlangen würde. Aber Eili war ja selbst schuld. Ich konnte die grausame, schreckliche Logik meiner Mutter nachvollziehen und bekam auf der Stelle Angst um Fox.
Der allerdings sah keineswegs verängstigt aus, höchstens verblüfft, als einer der Männer seines verstorbenen Vaters ihn zu der kleinen Lücke im Gedränge begleitete, wo Lilith stand. Fox sah zwischen mir und Eili hin und her und zog fragend eine Augenbraue hoch.
Eili stand wie erstarrt da. Ich sah ihr an, dass sie verwirrt war und ihr schlechtes Gewissen zu groß, als dass sie ihrem Bruder Zugang zu ihrem Geist hätte gewähren können. Was so selten vorkam, dass es fast ungeheuerlich war, und er runzelte verständnislos die Stirn.
Der Kämpfer an seiner Seite hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und beäugte
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