Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
ein Spiel: Muscheln waren leicht, Krabben machten Spaß und am allerliebsten hackten wir mit einem alten Schwert Schnecken von den Felsen oder gruben wie verrückt nach Strandschnecken und versuchten sie zu erwischen, bevor sie sich einbuddelte n – was uns nicht immer gelang. Im Grunde war das alles harte Arbeit, aber auch ein Wettkampf, und die meiste Zeit lachten und zankten wir und schubsten einander, und am Ende zogen wir uns fast immer die Kleider aus und sprangen in das klare Wasser der Bucht. Wenn wir genug Essen zusammenbekamen, machten wir mit Treibholz ein Feuer, nahmen als Zunder trockene Pilze, die wir von Steinen und dürren Birken abschabten, und zündeten sie mit verdorrtem Farnkraut an. Dann aßen wir einen Teil unseres Fangs, bibberten vor den Flammen und schmiegten uns aneinander, erzählten uns Geschichten und machten uns gegenseitig darüber lustig. Manchmal saß ich nur still da und sah den anderen zu, fürchtete mich vor meinem eigenen Glück, hatte Angst, dass die Freundschaft sich plötzlich in Nebel auflösen könnte. Ich glaube, Sinead wusste, was mir durch den Kopf ging, das tat sie oft. Wenn ich zu lange schwieg, weil mir die Kehle von Tränen und meinem wummernden Herzschlag wie zugeschnürt war, lehnte sie sich an mich, schob sich unter meinen Arm und ließ ihre Körperwärme in meine Knochen strömen.
In jenen Wochen war Conal die meiste Zeit nicht da, weil er bei unserem Vater auf dem kahlen Hügel Totenwache hielt. Ab und zu ging ich auch hinauf und leistete ihm Gesellschaft, wenngleich ungern. Zu einfach war es, sich vorzustellen, dass die Vögel und Füchse am eigenen Fleisch rupften, und meine jüngste Begegnung mit dem Tod brannte noch zu sehr in mir, als dass ich den Geruch lange hätte ertragen können. Nachdem Conal schließlich eine angemessene Zeit beim Leichnam unseres Vaters verbracht hatte, als Griogairs Todesriten abgeschlossen und die abgenagten Knochen eingesammelt waren, ließ Conal zwei Männer bei ihm und kehrte in die Festung zurück.
Und am Tag darauf erfuhren wir die Wahrheit.
„Was meinst du mit ,Geiseln‘?“
Eili und ich starrten Conal ungläubig an, aber er erwiderte den Blick nicht, sondern befiederte weiter seine Pfeile. Er wirkte verändert, nun da sein Haar kurz geschoren war; nein, nicht älter, denn einem erwachsenen Sithe sieht man erst dann sein Alter an, wenn er fast auf dem Sterbebett liegt. Aber er wirkte irgendwie weiser und abgehärtet. Ich hoffte, dass auch ich verändert aussah, denn ich hatte beschlossen, mir ebenfalls die Haare scheren zu lassen, mehr aus Respekt gegenüber Conal als für Griogair. Mein Schädel fühlte sich seither seltsam an, borstig und kalt. Die Pfeilfedern waren himmelblau eingefärbt, Conals Finger arbeiteten flink und geschickt, es wirkte so hypnotisierend, dass wir ihm schon seit einer Weile schweigend zusahen, und offenbar hatte er die ganze Zeit auf eine gute Gelegenheit gewartet, es uns zu sagen. Ich fragte mich, warum er seinen Gedankenschild hochgezogen hatte.
„Wie meinst du das?“, fragte ich fordernder.
„So wie ich es gesagt habe. Es ist genau wie letztes Mal, Seth. Das ist keine Bitte.“
„Abe r …“ Ich war völlig verwirrt. Politik war mir einfach ein Rätsel und Kates Gedankengänge konnte ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.
Conals Hauptmänner wechselten hinter seinem Rücken einen Blick und zogen die Augenbrauen hoch. Ich wusste, was sie dachten; es war nicht zu überhören. Warum musste sich Kate ausgerechnet die zwei aufsässigsten Nervensägen unter Conals Leuten aussuchen? Das würde ein langer Nachmittag werden, das wussten Ryan und Craig. Letzterer setzte sich seufzend hin und begann seine Klinge zu schärfen, während Ryan sich einfach auf die Stufen fallen ließ, die Arme verschränkte und die Augen schloss, um sich von der Wintersonne bräunen zu lassen.
„Hat meine Mutter etwas damit zu tun?“, fragte ich eisig.
Conal zuckte mit den Schultern. „Mag sein. Klingt zumindest so, als könnte die Idee von ihr stammen.“
„Kate braucht Seth doch gar nicht“, warf Fox ein. „Sie will einfach nur zwei Leute. Wenn Eili geht, gehe ich eben mit.“
Conal verdrehte liebevoll die Augen. „Das war mir schon klar. Aber dann werdet ihr zu dritt sein, denn Kate besteht darauf, dass Seth mitkommt. Sie will die Leute, die mir am nächsten stehen. Es tut mir leid.“ Er sah mich an und ich wusste, dass sein Bedauern aufrichtig war. „Sie traut mir nicht, Seth.“
„Aber
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