Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
getan. Sie hätte ihn aufschlitzen lassen wie ein Stück Wild, wenn si e …“
„Halt den Mund!“ Ihr Kopf fuhr zu mir herum. Sie starrte mich an, der Dolch rutschte vom Schleifstein ab und schnitt ihr in die Daumenkuppe. Blut spritzte heraus.
„Eili!“ Fluchend nahm ich ihre Hand und drückte meinen Finger auf die Wunde. „Es tut mir leid, ic h …“
„Schon gut, schon gut!“ Sie entzog ihre Hand meinem Griff. „Mach nicht so einen Wirbel.“
Sie wandte sich von mir ab, aber ich sah trotzdem, wie sie die Wunde vorsichtig mit den Fingerspitzen abtastete und den hässlich klaffenden Schlitz dann fest zusammendrückte. Schließlich drehte sie sich wieder zu mir, die Handfläche auf die Wunde gepresst. Ihre Hände waren blutverschmiert, aber die Wunde hatte offensichtlich aufgehört zu bluten. Ich griff nach ihrer Hand und riss sie fort, so plötzlich, dass sie keine Zeit hatte, sich dagegen zu wehren.
„Eili“, sagte ich.
„Was? Lass mich los! Ich hab gesagt, du sollst wegen des Kratzers keinen Wirbel machen!“
„Wirbel?“ Jetzt war ich so ärgerlich wie sie. „Einen Kratzer nennst du das? Du wirst nur deswegen nicht verbluten, weil du eine Heilerin bist. Eine geborene Heilerin.“
Ihr stieg die Schamesröte ins blasse Gesicht. „Bitte erzähl niemandem davon, Seth, bitte. Wenn du das tus t …“
„Moment mal!“ Ich riss die Augen auf. „Soll das heißen, niemand weiß davon?“
„Genau das heißt es. Behalt das bloß für dich.“
„Aber Fox muss es doch wisse n …“
„ Fox weiß auch, wie man den Mund hält.“
„Ja, darin hat er lebenslange Übung“, gab ich gereizt zurück. „Was ist denn eigentlich dein Problem?“
„Erzähl’s einfach nicht weiter!“ Sie sprang auf und stürmte auf die Ställe zu. Aber so leicht kam sie mir nicht davon, ich eilte ihr hinterher. Das vollsterbliche Mädchen blieb endlich einmal, wo es war, und folgte mir nicht. Es beobachtete uns nur aus seiner stillen Ecke.
In der Kühle des Stalls packte ich Eili bei den Schultern. Sie stieß mich fort, aber ich hatte ihre Tränen schon gesehen. Ich wich zurück. Da ließ sie sich mit hängendem Kopf auf einen Heuballen sinken.
„Eili“, sagte ich jetzt etwas sanfter. „Wofür schämst du dich denn so? Du wärst die Geheimwaffe jeder Streitmacht! Die Leute würden deine wunderbare Gabe feiern!“
„Nein, würden sie nicht!“
„Wann hast du es herausgefunden?“
„Zu spät“, sagte sie.
Und da wurde mir klar, dass sie Fox meinte, Fox und seine Verletzungen. Ich setzte mich neben sie, legte vorsichtig einen Arm um ihre Schultern und mein Herz machte einen Sprung, als sie ihren Kopf in meine Halsbeuge schmiegte.
„Du hättest nichts tun können“, sagte ich.
„Woher willst du das wissen? Vielleicht doch, vielleicht hatte ich die Gabe schon die ganze Zeit und habe es einfach nur nicht gemerkt. Weil ich nichts anderes im Kopf hatte als Schwerter und Pferde un d …“ Sie presste die Lippen zusammen.
Und Conal, dachte ich, aber ich war nicht wütend genug, um es ihr auf den Kopf zuzusagen. „Sei nicht töricht“, sagte ich. „Eine Gabe kommt, wann sie kommt. Grian hat seine erst gespürt, als er neunzig Jahre alt war, das hat er mir selbst erzählt, und der ist schließlich der beste Heiler in der ganzen Festung.“
„Jetzt nicht mehr“, sagte sie.
Sie sprach mit einer solchen Entschlossenheit, dass ich ihr nicht widersprechen konnte. „Na ja, Kates Heiler konnte jedenfalls nicht viel ausrichten, um Fox zu helfen.“
„Ich bin besser als der“, sagte Eili, und unter all dem Schmerz nahm ich den Stolz in ihrer Stimme wahr. „Hundertmal besser. Ich spüre es so stark in mir, Seth. Wenn es heute passiert wäre, hätte ich Fox heilen können, und er hätte fast keine Narbe davongetragen.“
Das bezweifelte ich, hielt aber den Mund. „Es ist aber nicht heute passiert. Sondern vor zwei Jahren.“
„Ich hätte meinem Bruder helfen können“, beharrte sie. „Wenn ich es nur gewusst hätte.“
„Eil i … Es geht ihm doch nicht schlecht damit.“
„Aber mir.“ Zu meinem Entsetzen fing sie an zu weinen.
Hilflos strich ich ihr übers Haar, erst sachte und dann kräftiger, sie drückte ihren Kopf an meine Brust und schien über ihre Tränen selbst zu Tode erschrocken zu sein. Ich spürte, wie ihr Körper bebte, als sie versuchte, sich unter Kontrolle zu bekommen und ihre Wut zu unterdrücken. Nachdem sie sich endlich beruhigt hatte, stieß sie einen tiefen Seufzer aus und
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