Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Stelle ausspionieren konnte? Ich lächelte und hielt es Branndair vor die Nase.
„Na, was sagst du?“
Er betrachtete es argwöhnisch.
„Ich weiß“, sagte ich. „Nicht gerade ein Meisterwerk, was?“
Ein leises Jaulen drang aus seiner Kehle, dann reckte er sich und kratzte dabei mit seinen Krallen über die Pflastersteine. Die Festung war nun in Schatten getaucht, die Sonne war verschwunden. Es schüttelte mich bei dem Gedanken, wie lange ich nicht mehr geschlafen hatte und wie müde ich war. Ich fragte mich, wo Sinead wohl steckte, aber gleichzeitig war ich ganz froh, dass sie nicht hier war. Mein Gefühlsleben war ein einziges Chaos und nach zwei Jahren Abwesenheit wusste ich ohnehin nicht, wie sie auf mich reagieren würde. Vermutlich war sie längst mit Fraser zusammen oder mit jemand anderem. Vielleicht sogar mit einer Frau, wer wusste das schon.
Mein Zimmer hatte sich nicht verändert, nur dass alles unter einer dünnen Staubschicht begraben lag und mein Bett einen modrigen Geruch verströmte. Das war aber immer noch um Längen besser als die Schlafstatt, die ich in den letzten zwei Jahren gehabt hatte. Vielleicht sogar zu gut. Ich ahnte, dass ich hier keinen Schlaf finden würde. Ich griff nach einer Decke und schüttelte sie aus. Dann nahm ich mein Zaumzeug vom Haken. Vorsichtig ließ ich es durch meine Finger gleiten. Dann warf ich es mir über die Schulter, verließ mein Zimmer und zog leise die Tür hinter mir zu. Branndair schaute mich still und erwartungsvoll an. Ich dachte kurz an mein altes Zimmer neben der Gerberei, verwarf den Gedanken aber sofort wieder.
Die Wachen vor Conals Tür sprachen auch diesmal nicht mit mir, aber sie unterbrachen ihr Gemurmel und sahen mir nach, als ich an ihnen vorbeiging. Ich beachtete sie nicht weiter. Stattdessen lehnte ich mich an die Mauer vor Conals Zimmer, wickelte mich in die Decke ein, breitete eine Strohmatte auf dem kalten Stein aus und rollte mich auf dem Boden zusammen. Das war schon besser. Ich hatte alles, was ich brauchte. Unter der Decke drückte ich das Zaumzeug gegen meine Brust. Branndair kauerte sich neben mich. Ich fühlte seine Wärme bis in die Knochen, spürte seinen Herzschlag und seinen Brustkorb, der sich beim Atmen hob und senkte. Seinen Wolfsatem blies er mir direkt ins Gesicht. Und dann fühlte und hörte und roch ich gar nichts mehr. Da waren nur noch ein schwarzes Nichts und der Vergessen schenkende, beste Schlaf seit über zwei Jahren.
Wenn ich beim Aufwachen überhaupt etwas erwartet hätte, dann Kälte. Vor allem, da Branndair nicht mehr neben mir lag. Ich tastete vorsichtig mit meinem Geist nach ihm, aber es ging ihm offenbar gut. Er war gerade drüben in der Festung und wurde gemeinsam mit den Hunden gefüttert. Fox hatte sich seiner angenommen. Mein Körper war schlaff und unbeweglich. Beim letzten Mal, als ich so lange reglos dagelegen und geschlafen hatte, war ich frierend und mit Schmerzen erwacht, war erschöpft gewesen und von meinem eigenen Bruder niedergeschlagen worden. Dieses Mal fühlte ich trotz des kalten Fußbodens eine Wärme in mir, als hätte ich all den Schmerz und die Kälte und das Elend einfach weggeschlafen. Jemand hatte ein paar Tierhäute und eine zweite Decke um mich gewickelt und mein Kopf ruhte auf einem weichen, zusammengefalteten Stück Stoff. Es wunderte mich etwas, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, aber ich war sehr dankbar dafür.
Ich stützte mich auf einen Ellbogen und blinzelte. Die Wachposten waren neu besetzt. Ein Mann und eine Frau versperrten nun wirkungsvoll den Eingang zu Conals Gemächern. Craig und Geanais. Ich spürte den steinharten Schutzschild vor ihren Gedanken, ihre Sperre gegen allzu neugierige Gemüter. Ein Stück abseits, von Conal und mir abgeschirmt, kauerte eine kleine Gestalt in einer Ecke, die genau wie ich in eine Decke gehüllt war. Sie war wach. Man hatte ihr einen Becher mit einer warmen Flüssigkeit gereicht, den sie mit ihren aufgeschürften Händen umklammerte. Die Wachen schenkten ihr keine Beachtung.
Ich schälte mich aus den Decken, rappelte mich auf und schüttelte die Schläfrigkeit ab, dann warf ich mir wieder das Zaumzeug über die Schulter. Mein Körper war steif und verspannt, aber die Schmerzen fühlten sich gut an. Craig sah zu mir und nickte.
„Lasst sie durch“, sagte ich.
Craig sah Geanais an, die aber zuckte nur mit den Schultern und deutete mit dem Kopf auf das Mädchen. Catriona richtete sich schwankend auf und verschüttete dabei
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