Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Schatten. Meine beiden Schatten, um genau zu sein. Heiliger Strohsack, der Priester hatte keinen einzigen gehabt und ich hatte mir gleich zwei aufgehalst.
Catriona hatte sich mit einem kleinen, scharfen Messer und einem Stück Eschenholz die Zeit vertrieben und tat ganz geschäftig, aber ich wusste, dass sie mich aus den Augenwinkeln beobachtete. Ich überlegte kurz, ob ich einfach weitergehen sollt e – sie würde mir bestimmt wie üblich hinterherwackel n –, aber ihre Stille strahlte etwas Beruhigendes aus. Ich ging zu ihr und setzte mich neben sie. Sie schaute mich neugierig an, dann widmete sie sich wieder ihrer Schnitzerei.
Ich lehnte mich gegen die Wand und sah zur Rüstkammer am anderen Ende des Innenhofes. Branndair legte seine Schnauze auf meinen Schoß und ich kraulte ihm den Kopf. Ein Wachposten hoch über uns hustete und spuckte auf den Boden. Ein Pferd begrüßte wiehernd seinen heimkommenden Freund. Irgendjemand rief etwas im scharfen Befehlston. Die Sonne hing tief, die Schatten waren lang, die Luft frisch und klar. Ein friedliches Gefühl durchströmte mich. Ich war schon glücklich, wieder hier zu sein. Auch wen n …
„Ich habe mich gerade zum Narren gemacht“, sprudelte es aus mir heraus.
Catriona schaute mich mit dem Hauch eines Lächelns an. Die untergehende Sonne verlieh ihrem bleichen Gesicht ein bisschen Farbe und man konnte erahnen, wie schön sie gewesen sein musste, bevor der Priester sie in seine Klauen bekommen hatte.
„Was machst du da?“
Zögerlich streckte sie mir ihre Schnitzerei entgegen. Nach einigem Überlegen kam ich darauf, dass es wohl ein kleiner Wolf sein sollte. Nicht wirklich gelungen, aber das lag sicher nicht daran, dass sie es nicht besser gekonnt hätte. Es schien eher so, als hätte jemand versucht, mit gebrochener Hand zu schreiben, als wären die Buchstaben krumm und schief geraten und als könnte man ihnen trotzdem ansehen, welches Talent in ihrem Schreiber schlummerte. Ein Talent, das sich nur verletzt im Verborgenen hielt und seine Wunden leckte.
Ich nahm ihre Hand, in der sie die Schnitzerei hielt. Heute Nachmittag hatte Fox dasselbe getan und mir mit einem schiefen Grinsen gesagt: Die Kleine ist stark. Das hatte mich erstaunt. Für mich war sie nur ein erbärmliches, abstoßendes Häuflein Elend, das mir meine einzige Chance vermasselt hatte, meinen Bruder zu retten.
Diesmal zog sie ihre Hand nicht zurück, als ich sie betrachtete. Ich spreizte ihre Finger und drückte meine Hand dagegen. Ihre Hand war noch immer geschwollen, die Fingernägel gebrochen und schwarz angelaufen. Ich verstand plötzlich, warum sie mich so anwiderte: Sie beschämte mich. Sie hatte im Gegensatz zu mir eine schwere Leidenszeit mit meinem Bruder geteilt. Sie hatte ihn in der Dunkelheit getröstet, ich nicht.
„Der kleine Mann“, fragte ich sie, „dieser Folterknecht, über den sie alle geredet haben, hat der dir das angetan?“
Sie nickte, dann schüttelte sie den Kopf.
„Waren auch andere dabei?“
Sie nickte.
„Eines Tages“, sagte ich, „wirst du mir ihre Gesichter zeigen.“
Sie schaute mich verwundert an.
„Das ist ganz einfach, versprochen. Eines Tages wirst du sie mir zeigen, damit ich sie an einem anderen Tag wiederfinden kann. Verstehst du, was ich dir sagen will?“
Ihr Blick wanderte zwischen meinen Augen hin und her. Ich hatte das seltsame Gefühl, als würde sie direkt in mein Hirn schauen, obwohl wir keinen direkten Blickkontakt hatten. Schließlich nickte sie langsam.
„Das Mädchen eben“, sagte ich und deutete mit dem Kopf zu den Ställen hin. „Ich liebe es und ich dachte, es liebte mich auch. Aber das tut es nicht. Ich bin so ein Trottel.“
Catriona blickte auf ihre blasse Hand hinunter, die in der meinen lag.
„Weißt du, was mir an dir gefällt? Dass du niemandem erzählen wirst, dass ich ein Trottel bin.“
Ihre verwundeten Finger umfassten meine Hand. Sie hob sie an ihre Lippen und küsste sie, dann schlang sie die Arme um mich und presste mich an sich. Einige Sekunden später sprang sie auf, drückte mir den kleinen Holzwolf in die Hand und rannte davon.
25. Kapitel
A ls ich aufstand, war das Mädchen nirgends zu sehen, was mich verwunderte. Vielleicht hatte sie es aufgegeben, mich zu verfolgen. Vielleicht auch nicht. Ich betrachtete die grobe Holzschnitzerei in meiner Handfläche und fragte mich, ob sie wirklich eine Hexe war. Hatte sie dieses grobe Stück Holz womöglich mit einem Zauber belegt, sodass es mich an ihrer
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