Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
etwas Flüssigkeit aus ihrem Becher. Dann zwängte sie sich zwischen die beiden Wächter.
„Hättet ihr sie nicht wenigstens bis vor seine Tür lassen können?“, fragte ich.
„Was redest du da?“, antwortete Geanais. „Du weißt genau, dass wir das nicht dürfen.“
„Wir haben sie immerhin zu dir gelassen, um dir ein paar Decken zu bringen“, fügte Craig hinzu, als wäre das ein unglaublich großzügiges Zugeständnis gewesen.
„Na so was, jetzt hätte ich doch fast euch dafür gedankt“, erwiderte ich.
„Ich glaube nicht, dass du dir die Mühe gemacht hättest, dich bei irgendjemandem zu bedanken“, sagte Craig.
Ich beschimpfte ihn unflätig. Er zeigte mir beide Mittelfinger und setzte dann seine Unterhaltung mit Geanais fort.
Catriona stand unsicher vor mir.
„Bitte schön“, sagte ich und öffnete einladend die Tür, sodass Catriona einen Blick ins Zimmer werfen konnte. Conal lag regungslos da, nur seine Fingerspitzen zuckten. Das Sonnenlicht, das durch die Fensterläden fiel, warf scharfe Schatten auf sein verhärmtes Gesicht. Er atmete langsam, aber tief und gleichmäßig. Ich zog Catriona zurück und schloss die Tür.
„Siehst du“, sagte ich, „es geht ihm gut.“
Sie nickte.
„Und dir auch“, fügte ich hinzu. „Du kannst hier bei uns bleiben, wenn du willst.“
Ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht, als sie mich anblickte. Mit einem Finger strich sie mir zögerlich über die Wange.
„Ja“, antwortete ich auf die unausgesprochene Frage. „Mir geht es auch gut.“
Ich dachte an Eili, das erste Mal, seit ich aufgewacht war. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Wieder fragte ich mich, wo Sinead wohl steckte. Diesmal wollte ich sie unbedingt sehen.
„Du hast bestimmt Hunger“, sagte ich und nahm Catriona den Becher ab. Dem Geruch nach zu urteilen war Milch mit Whisky darin gewesen, aber jetzt war der Becher leer. „Ich habe auch Hunger. Conal ist versorgt, wir können ihn ruhig hier lassen.“ Und lauter fügte ich hinzu: „Selbst bei diesen beiden Trotteln ist er sicher.“
Dieses Mal zeigte mir Geanais ihre Mittelfinger.
Ich nahm Catriona bei der Hand und schob sie an ihnen vorbei. „Ich werde in der Arena erwartet, aber erst muss ich mich noch stärken.“
Craig brüllte vor Lachen. „Ich soll dir von Carney ausrichten, er betrachte es als moralischen Sieg, dass du dich nicht hast blicken lassen, Grünschnabel.“
Ich fuhr herum, packte ihn beim Schopf und zog ihn dicht an mich heran. Catriona gab einen Schreckenslaut von sich und von der anderen Seite hörte ich das Schaben von Geanais’ Dolch, den sie halb aus dem Futteral gezogen hatte. Ich drehte mich nicht danach um. Der Dolch war nur zur Hälfte gezückt und dabei würde es auch bleiben. Es war eine Reflexbewegung von ihr gewesen; ich wusste, dass sie nichts weiter unternehmen würde. Keiner von beiden würde etwas unternehmen. Nie wieder.
Ich starrte Craig in die Augen. „Wie hast du mich genannt?“
Er schwieg.
Ich ballte die Faust und zog an seinen Haaren, bis er das Gesicht verzog. „ Wie heiße ich?“
Er schwieg noch einen Augenblick, dann sagte er: „Murlainn.“
Ich ließ ihn los und hörte ihn geräuschvoll ausatmen. Und dann ging ich, in dem Wissen, dass Catriona mir dicht auf den Fersen war. Am Fuße der Steintreppe blieb ich stehen und drehte mich zu ihr herum. Das überraschte sie so, dass sie beinahe mit mir zusammengeprallt wäre.
„Wie spät ist es?“, fragte ich etwas verlegen. „Ist es noch Vormittag?“
In ihrem hageren Gesicht erschien ein breites Grinsen und sie schüttelte den Kopf. Dann hielt sie sich die Hand vor den Mund und gab einen Laut von sich, der entfernt an ein Kichern erinnerte.
Ich lächelte zurück. „Hab ich gerade eben etwas zu dick aufgetragen?“
Sie dämpfte mit der Hand noch immer ihr stilles Gelächter und schüttelte wieder den Kopf.
„Na, dann komm.“
Frühstück würde es jetzt wohl nicht mehr geben. Schon beim ersten Schritt auf den Hof wusste ich, dass es bereits früher Abend war. Ich hatte anscheinend fast vierundzwanzig Stunden geschlafen. Die Spätsommersonne hing noch hell am Himmel und in der großen Halle hatten sich die Bewohner bereits für den abendlichen Umtrunk zusammengefunden. Aus der Küche stibitzte ich für uns ein paar kalte Bratenstücke, etwas Brot und einige Haferfladen, dann stieg ich mit dem Mädchen auf die Brüstung. Dort saßen wir einträchtig schweigend nebeneinander, aßen und schauten zu, wie die Schatten
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