Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
die Anderwelt. Niemals, und Conal auch nicht. Mir egal, was die alte Hexe macht.“
Das war nur so dahergesagt, nichts als Getue und Hochstapelei. Und gleichzeitig war es der Beweis dafür, dass jemand noch lange nicht in die Zukunft sehen konnte, nur weil er die Gabe besaß, Gedanken zu lesen.
Sinead verließ die Siedlung zwei Tage später wieder. Sie hatte sich freiwillig für eine weitere Grenzpatrouille gemeldet. Ich konnte es kaum glauben. Ich war schließlich zwei Jahre lang fort gewesen, verdammt noch mal!
Keine Versprechen , sagte sie mir im Geiste und gab mir einen Abschiedskuss.
Ich weiß , antwortete ich, aber vermissen darf ich dich schon, oder?
Ich habe dich zwei Jahre lang vermisst. Und weißt du was? Es ist anders, seit du zurück bist.
Inwiefern?
Sie schaute mich schief an, empört. Es liegt an der Art, wie du sie anschaust.
Das ist vorbei. Da ist nichts zwischen Eili und mir und da wird auch nie etwas sein. Ic h …
Manchmal bist du wirklich der dümmste Mann, der mir je untergekommen ist. Sie wandte sich ihrem Pferd zu. Ich spreche nicht von Eili. Ich meine die Vollsterbliche, das Mädchen.
Genauso gut hätte sie mir einen Fisch ins Gesicht schlagen können. Ich stand immer noch sprachlos da, als sie schon die Zügel in die Hand nahm. Ich schnellte nach vorn und packte ihren blonden Zopf, um sie daran zu hindern, aufzusteigen. „Ich weiß gar nicht, wovon du redest. Hör zu, ich kann mich nicht fest binden.“
„Du meinst, du willst dich nicht fest binden.“
„Ja. Heißt das, du lässt mich fallen, Sinead?“
„Nein.“ Sie küsste mich noch einmal. „Lass mich los, ich muss fort.“
„Du kommst aber zurück, oder?“
„Ganz bestimmt.“ Sie lächelte fröhlich. Das ist das Problem mit uns beiden. Ich komme immer zurück und das weißt du auch.
Und das ist der Grund, warum ich dich liebe, dachte ich, aber ich war verärgert und übellaunig und ließ es sie nicht wissen.
Am liebsten hätte ich Sinead am nächsten Tag schon wieder bei mir gehab t – und ein Hühnchen mit ihr gerupft. Die arme Catriona fühlte sich sichtlich unwohl in ihren neuen Hosen, den Stiefeln und dem feinen Leinenhemd. Die Sachen gehörten natürlich alle Sinead, ebenso wie das Lederwams, das sie fast bis zum Hals zugeknöpft hatte. Immer wieder zog sie es am Saum herunter, als hoffte sie, ihre knochigen Hüften damit verdecken zu können, und sie hielt stets den Blick gesenkt und die Arme vor der Brust verschränkt. Ich hätte nie gedacht, dass Sineads Kleidung an jemand anderem so schlottern könnte. Catrionas Haare waren zumindest wieder auf Stoppellänge gewachsen, sie sah fast aus wie ein Junge. Beinahe hätte ich es ihr gesagt, teils um sie zu beruhigen, teils damit sie endlich aufhörte, an ihren Kleidern herumzuzerren. Hier würde sich garantiert niemand lüstern auf sie stürzen.
Irgendwie wurde ich im Namen unserer Frauen wütend. Was war denn so falsch daran, wie sie sich kleideten? Sie wollten nun mal nicht über Röcke stolpern, ihre weiblichen Rundungen nicht aus falsch verstandenem Anstand in irgendwelche schmuddeligen Lumpen hüllen. Wozu auch? Die Sithe-Männer hatten Sitte und Anstand, während es den Vollsterblichen an beidem mangelte. Catrionas Einstellung war eine Beleidigung für Sinead und alle anderen Sithe-Fraue n – von uns Männern einmal ganz zu schweigen. Ihr Verhalten brachte mich so in Rage, dass ich sie links liegen ließ, selbst wenn sie mir einen Hilfe suchenden Blick zuwarf. Wenn sie mich wirklich unterstützen wollte, dann sollte sie gefälligst aufhören, sich dermaßen zu zieren.
Sie konnte sich mittlerweile nicht mal mehr in Conals Zimmer verstecken. Grian hatte sie hinausgeworfen. Nicht etwa, weil er von ihr die Nase voll gehabt hätte, sondern weil er, genau wie ich, fand, dass sie zu viel Zeit in diesem Raum verbrachte. Und wegen der Kleidung zog sie sich jetzt noch mehr zurück als vorher. Aber sie brauchte Sonne im Gesicht, frische Luft. Also schickte Grian sie auf Botengänge, zum Nachrichtenüberbringen oder Kräutersammeln.
An einem Morgen wollte ich gerade mit Fox und Fraser zur Jagd aufbreche n – Eili war zu sehr mit ihrer Ausbildung bei Kenna beschäftig t –, als Catriona plötzlich wie ein verhuschtes Mäuschen zur Tür herausstürzte. Wir sahen sie mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern über den Burghof preschen. So wie es schien, wollte sie nicht von uns erkannt werden. Fox und Fraser waren offenbar ebenso erstaunt über diese
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