Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Und es war mehr als unwahrscheinlich, dass ausgerechnet sie sich darüber beschweren würde, angeschwiegen zu werden. Nach einer Weile wurde mir klar, dass es ihr ohnehin egal war, ob ich sprach oder nicht. Sie war in meinem Arm eingeschlafen.
Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte, und ritt einfach weiter, um sie nicht aufzuwecken. Nur weil sie bei uns gut aufgehoben war, hieß das noch lange nicht, dass sie nachts gut schlief. Das Problem kannte ich selbst nur allzu gut. Conal war der Einzige von uns, der tief und fest schlafen konnte, und das auch nur, weil sein Körper zu kaum etwas anderem in der Lage war. Die schrecklichen Albträume standen ihm noch bevor.
Ich wollte mein Pferd nicht ins Hochmoor führen, zum Dubh Loch, wo seine Heimat lag. Das wäre sicherlich eine zu große Versuchung gewesen und angesichts des fremden Mädchens auf seinem Rücken ein zu großes Risiko. Also ritt ich weiter, bis ich den grünen Kiefernhain am Loch Cailleach erreichte. Hier, im von goldenen Streifen durchbrochenen Schatten der Bäume, war es merklich kühler, die Sonne weniger intensiv. Der See funkelte durch die Zweige hindurch und sah aus, als wäre sein Wasser mit Diamanten besetzt. Nur ein leichter Hauch fuhr durch das Gehölz, kaum stark genug, um ihn als Brise zu bezeichnen. Ich brachte das Pferd zum Stehen, damit es seinen muskulösen Hals nach dem See recken konnte. Es warf den Kopf vor und zurück und stampfte mit einem Huf auf die Erde, dass Wurzeln und Gras nur so flogen, tänzelte seitwärts und gab ein lautes Wiehern von sich.
Catriona wachte schlagartig auf und schnappte ängstlich nach Luft. Ich drückte sie fester und ihre Finger krallten sich noch tiefer in meinen Arm, bis es schmerzte.
„Ist schon gut“, sagte ich und dann zum Pferd gewandt: „Nur auf einen Schluck, mehr nicht.“
Das Tier wieherte und es klang wie ein Lachen, als ich die Zügel lockerte und es zum klaren, dunklen Wasser des Sees trotten konnte. Es trank einen Schluck, richtete sich auf und machte ein paar Schritte ins Wasser hinein.
Denk nicht einmal dran.
Das Pferd schnaubte nur unschuldig und watete umher. Seine Hufe berührten den mit Steinen übersäten Grund, dass es nur so spritzte.
Catriona ließ meinen Arm los und ich ballte die Hände zu Fäusten, um das Blut wieder in Fluss zu bringen.
„Du bist ganz schön stark“, sagte ich. „Ist schon gut, du bist hier in Sicherheit.“
Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, ihr das immer wieder vor Augen zu führen.
„Weißt du, was dieses Pferd ist?“, fragte ich sie.
Sie schaute ängstlich drein und nickte hastig.
„Kein Grund zur Sorge. Aber du musst als Erste absteigen. Wenn ich zuerst absteige, nimmt er dich mit.“
Sie ließ mich los und ich half ihr, das Bein über den Hals des Tieres zu schwingen. Es drehte den Kopf und schaute mit finsterem Blick dabei zu, aber ich beachtete es gar nicht. Meine Hand kribbelte von der flüchtigen Berührung ihres Schenkels, als wäre mein Blut wieder ins Stocken geraten. Ich schüttelte den Gedanken ab und setzte Catriona auf dem Waldboden ab. Sie trat einen Schritt zurück und beobachtete mich beim Absteigen, und dann sah sie dem Pferd in sein schwarzes, wildes Auge.
„Na los, mein Lieber“, sagte ich zu ihm, während ich die Decke von seinem Rücken zog und ihm das Zaumzeug abnahm. „Verschwinde.“
Er schüttelte seine schwarze Mähne und trabte davon. Bald war er nur noch ein Schatten zwischen den Bäumen.
„Er geht auf die Jagd“, sagte ich. „Er hat Hunger. Und du?“
Sie nickte und sah dabei überhaupt nicht mehr ängstlich aus, nur hungrig. Ich breitete die Pferdedecke über einem umgestürzten Kiefernstamm aus, dann setzten wir uns und aßen die Äpfel, das Fleisch und die Haferfladen, die ich in meinem Lederbeutel mitgebracht hatte. Catriona schlang das Essen geradezu hinunter, einzig und allein darauf bedacht, ihren Magen zu füllen. Ich beobachtete sie belustigt. Sie wirkte jetzt nicht mehr so hohlwangig, ihr Brustkorb hatte auch an Umfang zugelegt, ihr Hintern und ihre Schenkel waren draller geworden. Dennoch, sie würde wohl nie das werden, was man als „gut gebaut“ bezeichnete.
Sie spürte meine Blicke auf ihrem Körper und sah auf. Dann grinste sie verlegen und bekam sogar etwas Farbe im Gesicht. Sie ist schön, dachte ich. Vor allem wenn sie lächelt.
Sie hörte nicht auf zu lächeln, bis sie ihren letzten Apfel verspeist hatte und den Strunk seufzend in den See warf. Silberne Tropfen spritzten
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