Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
Blut.
Hinter ihm wurden Schreie und Kampflärm laut, aber Andrej blieb nicht einmal Zeit, einen Blick über die Schulter zu werfen, denn auch die zweite Nubierin hatte ihre Waffe wieder an sich gebracht und tauchte an der Seite ihrer Schwester auf.
Auch gestern hatte er sich der beiden Schwestern nur mit Mühe und Not erwehren können und hatte, wenn er ehrlich war, den Kampf verloren.
Doch heute wollten sie seinen Tod.
Andrej nahm einen weiteren gemeinen Fußtritt gegen das Knie in Kauf, schrie vor Schmerz auf und warf sich trotzdem vor, um das Handgelenk der Kriegerin zu packen und ihr die Waffe zu entringen. Es gelang ihm, aber er bezahlte mit einem weiteren brutalen Kniestoß (zwischen die Beine) dafür. Ihm wurde schwarz vor Augen. Seine Knie gaben nach, und er wäre gestürzt, hätte er sich nicht mit verzweifelter Kraft an dieselbe Kriegerin geklammert, die ihn fast bewusstlos geschlagen hatte. Diese Gelegenheit nutzte die zweite Nubierin, ihm den abgebrochenen Säbel in die Seite zu stoßen.
Er hatte abermals Glück. Die Klinge glitt an seinen Rippen ab und verletzte keine inneren Organe, aber der neuerliche Schmerz zwang ihn endgültig auf die Knie. Mehr brauchten die beiden austrainierten Kriegerinnen nicht, um ihn zu erledigen.
Er fiel schwer auf die Seite, presste die Hand auf die stark blutende Wunde. Mit dem anderen Arm versuchte er, sich in die Höhe zu stemmen, doch eine der beiden Kriegerinnen versetzte ihm einen Fußtritt ins Gesicht, der ihn vollends auf den Rücken schleuderte.
Alles drehte sich, färbte sich rot und schwarz. Der Schmerz war schlimm, aber trotzdem auf seltsame Weise bedeutungslos. Er empfand nicht einmal Furcht, sondern eine schon fast hysterische Heiterkeit angesichts der Erkenntnis, dass es nach all der Zeit zwei sterbliche Frauen sein sollten, die ihn töteten. Scharfer Stahl blitzte wie gefangenes Sonnenlicht in der Hand der Nubierin und hob sich zu einem tödlichen Hieb, der ihn enthaupten würde und dem er nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Er hielt den Atem an. Dann war da plötzlich eine dritte, riesenhafte Gestalt aus geronnener Nacht, die hinter den beiden Nubierinnen emporwuchs, die Hand der Kriegerin packte und ihr die Waffe entrang, sie herumwirbelte, in die Höhe riss und mit furchtbarer Wucht gegen die Wand warf.
Sofort stieß die zweite Kriegerin mit dem zerbrochenen Säbel nach dem Gesicht des so überraschend aufgetauchten Gegners, so schnell, dass das Auge ihr kaum folgen konnte. Abu Dun wehrte den Angriff dennoch mit einer fast beiläufigen Bewegung ab und versetzte ihr im gleichen Augenblick einen Schlag mit der flachen Hand, der sie zwei Schritte zurücktaumeln und dann halb bewusstlos zusammenbrechen ließ.
Dann wurde alles schwarz, vielleicht nur für wenige Sekunden, die Andrej jedoch wie eine Ewigkeit erschienen, als er darum kämpfte, nicht in den Abgrund gesogen zu werden, aus dem es diesmal vielleicht kein Erwachen geben würde.
Als sich sein Blick wieder klärte, sah er in ein Gesicht, das fast noch schwärzer war als der Abgrund, in den er gerade geblickt hatte.
»Das wurde … aber auch Zeit«, brachte er mühsam hervor. Er wollte grinsen und spürte selbst, dass es wohl eher zu einer Grimasse geriet. Und auch sein zweiter Versuch, sich in die Höhe zu stemmen, scheiterte kläglich. Anscheinend hatte die Kriegerin ihn doch schlimmer verletzt, als er geglaubt hatte. Also hob er mit zusammengebissenen Zähnen den Arm, um sich von Abu Dun aufhelfen von lassen.
Der Nubier rührte sich nicht. Er starrte ihn nur an, und irgendetwas … stimmte nicht mit ihm. Da … war etwas in seinen Augen, das nicht dort sein sollte. Es war genau wie vorhin bei Scalsi: Abu Dun war immer noch Abu Dun, aber darunter lauerte noch etwas anderes. Etwas Uraltes und abgrundtief Böses, das hinter dem vertrauten Blick der dunklen Augen lebte und nur auf eine Gelegenheit wartete, endlich zuzuschlagen.
»Abu Dun?«, fragte er.
Er bekam keine Antwort. Wortlos und mit steinerner Miene blickte Abu Dun auf ihn herab und ignorierte weiterhin seine ausgestreckte Hand.
Dann schlug er zu.
Kapitel 22
Wäre Andrej nicht zu verblüfft gewesen, auch nur einen Finger zu rühren, hätte er trotz allem noch reagieren können. So aber traf Abu Duns Faust ihn mit solcher Wucht an der Schläfe, dass er benommen zurücksank und erneut gegen eine Ohnmacht ankämpfen musste.
Auch jetzt verlor er nicht wirklich das Bewusstsein, sondern trieb durch einen Nebel aus sinnlosen (und
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