Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
nicht wieder ein Jahr dauern wird, bis ich das nächste Mal komme.« Sie deutete auf Andrej. »Das ist Signore Delãny, ein guter Freund. Bekommen wir ein Glas von Eurem berühmten Chianti, Mario … auch wenn Ihr noch nicht geöffnet habt?«
»Den allerbesten, Contessa«, sagte Mario strahlend. »Den allerbesten.«
Er wuselte davon, und Andrej sah ihm noch einen Moment stirnrunzelnd nach, bevor er – widerstrebend – einen zweiten Stuhl aufstellte und sich darauf niederließ. Einmal ganz davon abgesehen, dass es entschieden zu kalt war, um gemütlich bei einem Gläschen Wein draußen zu sitzen, kam es ihm geradezu absurd vor, auf dem größten Platz der Stadt und inmitten einer ausgelassenen Menschenmenge zu sitzen, während vermutlich die halbe Stadt nach ihnen suchte.
»Ich habe nachgedacht«, begann Corinna, fast als hätte sie seine Gedanken gelesen. Wahrscheinlich war ihm anzusehen, wie unwohl er sich fühlte. »Wir können nicht hierbleiben.«
»Wo du doch gerade einen Wein bestellt hast?«, fragte Andrej.
»Hier in der Stadt«, sagte Corinna. »Du kannst hier nicht bleiben. Egal, ob Rezzori noch lebt oder nicht, die Signori werden dich suchen, und glaub mir, sie werden dich finden. Wir suchen nach deinem Sohn, und sobald wir ihn gefunden haben, bringen wir ihn weg. Ich habe Freunde, die uns aus der Stadt schaffen, selbst während des Carnevale. «
»Wir?«
»Natürlich wir. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mir ein solches Abenteuer entgehen lasse!«
»Es ist kein Abenteuer, Corinna«, sagte Andrej ernst. »Und es ist auch kein Spiel.«
»Stellt Euch vor, Signore Delãny, spätestens seit mein Vater und mein bester Freund vor meinen Augen umgebracht wurden, habe sogar ich das begriffen.« Ihre Augen blitzten, und obwohl sie nicht einmal lauter sprach, war jetzt wieder dieser Unterton von schneidendem Stahl in ihrer Stimme.
»Ich wollte dich nicht verletzen«, sagte er sanft. »Aber du kannst mich nicht begleiten!«
»Ich kann nicht mehr hierbleiben.« Corinna hob die Hand, als er widersprechen wollte, und fuhr jetzt sanfter und ein wenig traurig fort: »Du hast es immer noch nicht verstanden, oder? In dieser Stadt habe ich keine Zukunft mehr. Ich werde sie so oder so verlassen.«
»Eine solch weitreichende Entscheidung würde ich nicht so überstürzt treffen«, antwortete Andrej bestimmt. Als sie etwas erwidern wollte, schnitt er ihr brüsk das Wort ab. »Du kannst nicht mit mir kommen, Corinna. So gerne ich es auch hätte. Du machst dir keine Vorstellung davon, welches Leben dich erwarten würde.«
»Ein besseres Leben als das in den Bleikammern«, antwortete Corinna. »Und vermutlich auch ein längeres!«
»Du würdest es nicht ertragen«, sagte Andrej. »Nicht einmal eine Woche, geschweige denn ein ganzes Leben. Und ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren.«
»Dann mach mich zu einer von euch«, verlangte Corinna.
Andrej starrte sie an. »Wie?«
»Mach mich zu einem Wesen, wie du es bist«, wiederholte Corinna.
Er wollte nicht glauben, was er da hörte. »Das kannst du doch, oder? Ich meine, das ist doch eure Art? Ihr könnt Menschen zu Wesen wie euch machen, wenn ihr sie beißt oder … sonst irgendetwas tut. Das ist doch die Art von Vampyren.«
»Ich habe niemals gesagt, dass Abu Dun und ich Vampyre sind«, sagte Andrei langsam. »Ganz davon abgesehen, dass es so etwas wie Vampyre nicht gibt.«
»Und ich habe niemals gesagt, dass ich dumm bin«, gab Corinna zurück. »Du alterst nicht. Man kann dich nicht verletzen, weil deine Wunden beinahe ebenso schnell heilen, wie man sie dir schlägt. Du nimmst die Leben anderer, um sie deiner eigenen Kraft hinzuzufügen, und du bist fünfmal so stark wie ein normaler Mann und zehnmal so schnell. Ich bin ein kluges Mädchen, Andrej. Ich lese Bücher, und ich höre Geschichten, und das, was ich über Vampyre gehört habe, passt genau auf deinen Freund und dich.«
»Du solltest nicht alles glauben, was man dir erzählt«, antwortete Andrej, »und auch nicht alles, was in Büchern steht. Oder bin ich vor deinen Augen im Sonnenlicht verbrannt? Außerdem habe ich ein Spiegelbild … jedenfalls hatte ich es noch, als ich das letzte Mal in einen Spiegel gesehen habe.«
»Wie du selbst gesagt hast: Nicht alles, was in Büchern steht oder erzählt wird, muss auch der Wahrheit entsprechen.«
»Sondern nur das, was dir in den Kram passt?«
»Es ist mir gleich, wie ihr euch selbst nennt«, fuhr Corinna fort. »Und es wäre mir sogar
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