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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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…«, sie wandte sich Beistand suchend, aber auch vorwurfsvoll an Andrej, »… jeden Sonntag halten wir eine Messe nur für ihn, genau so, wie Ihr es gewünscht habt!«
    Andrej konnte sich nicht erinnern, einen solchen Wunsch geäußert zu haben, weder Meruhe noch sonst jemandem gegenüber. Ganz im Gegenteil. Er war sich sogar sicher, es nicht getan zu haben. Wenn es etwas gab, das seinem Sohn helfen konnte, dann war es ganz gewiss nicht ein Gott, an den sie beide niemals geglaubt hatten.
    Trotzdem riss er seinen Blick endlich vom erstarrten Antlitz seines Sohnes los und zwang ein entschuldigendes Lächeln auf seine Lippen. »Ich muss mich für meinen Freund entschuldigen, Schwester«, sagte er, die Tatsache ignorierend, dass Innozenz’ linke Augenbraue beim Klang des Wortes Freund missbilligend nach oben rutschte. »Er hat es nicht so gemeint. Er ist fremd in Eurem Land und Eurer Sprache noch nicht in dem Maße mächtig, wie es wünschenswert wäre.«
    Abu Dun zog vielsagend die Stirn kraus. Schwester Innozenz funkelte Andrej zornig an. Abu Dun hatte nicht nur flüssig Italienisch gesprochen, sondern auch weitaus akzentfreier als die meisten, denen sie bisher in diesem Land begegnet waren, die gestrenge Schwester eingeschlossen.
    »Wollt Ihr Euch über mich lustig machen, Signore Delãny?«, fragte sie spröde.
    »Andrej«, verbesserte sie Andrej und schüttelte heftig den Kopf. »Und ich wollte Euch gewiss nicht verspotten, Schwester. Es ist nur so, dass Abu Dun zwar die Sprache gut beherrscht, sich in der Wahl der Worte aber manchmal noch nicht sicher genug ist. Er wollte Euch gewiss nicht beleidigen.«
    »Ach?« Die Barmherzige Schwester dachte angestrengt über diese Bemerkung nach und maß den Nubier dann mit einem milderen, wenn auch nicht angenehmeren Blick.
    »Abu Dun?«, fragte sie dann. »Das bedeutet so viel wie Vater des Todes, nicht wahr?«
    Abu Dun sah die schmalschultrige Ordensschwester verblüfft an. »Ihr … sprecht Arabisch?«
    »Das eine oder andere Wort«, bestätigte Innozenz – in einem Arabisch, das nahezu so akzentfrei und fließend war wie Abu Duns Italienisch. »Ich habe mein halbes Leben als Missionarin in deiner Heimat verbracht, schwarzer Mann, und auch wenn es mir nicht gelungen ist, so viele Seelen auf den rechten Weg zu bringen, wie ich es mir gewünscht hätte, so habe ich in dieser Zeit doch zumindest deine Sprache gelernt.«
    Und vermutlich hatte sie jedes Wort verstanden, das Abu Dun im Zusammenhang mit ihrem Ordensnamen und dessen wortwörtlicher Bedeutung gemacht hatte, dachte Andrej. Wahrscheinlich konnte Abu Dun noch von Glück sagen, dass sie ihm nicht die Augen ausgekratzt oder gleich für eine Neuauflage der römischen Inquisition gesorgt hatte, um höchstpersönlich die Fackel an seinen Scheiterhaufen zu halten. Er wusste zwar, dass es bei Abu Duns nachtschwarzer Haut unmöglich war, meinte aber dennoch aus den Augenwinkeln zu sehen, wie der Nubier erbleichte.
    »Du hast einen nicht besonders christlichen Namen, schwarzer Mann«, bemerkte sie noch.
    »Das mag daran liegen, dass mein Vater, von dem ich diesen Namen habe, kein Christ war«, antwortete Abu Dun liebenswürdig.
    »Aber ist es bei euch Muselmanen denn nicht üblich, euch selbst einen Namen zuzulegen?«, fragte Schwester Innozenz.
    »Ganz recht«, antwortete Abu Dun. »Doch das muss nicht unbedingt etwas mit dem wirklichen Betragen dessen zu tun haben, der sich diesen Namen ausgesucht hat. Manchmal ist es sogar genau umgekehrt, Schwester Innozenz. «
    Die Ordensschwester sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. Andrej deutete rasch ein Kopfschütteln an und warf Abu Dun einen fast beschwörenden Blick zu, auf den der Nubier mit einem ebenso stummen Verziehen der Lippen reagierte, so schnell, dass es vermutlich auch Schwester Innozenz entging, obwohl sie ihm immer noch ins Gesicht sah. Abu Dun hatte diesen kindischen Streit wohl nur vom Zaun gebrochen, um ihn aufzuheitern, aber in dieser Schreckenskammer war kein Platz für Scherze. Nicht einmal, wenn sie gut gemeint waren.
    Die Augen der streitbaren Ordensschwester blitzten kampfeslustig, doch in diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und eine weitere Gestalt kam herein, obwohl das Verlies schon für sie kaum genug Platz bot.
    Auf den ersten Blick hätte man sie für eine weitere Schwester halten können, nur dass sie statt eines grauen Gewandes einen schwarzen Mantel trug, der noch vor Kälte dampfte. Sie musste den Turm gerade erst betreten haben.

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