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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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Moment Geduld.«
    Und als wäre das ein Stichwort gewesen, glitt das Boot nun tatsächlich unter einer letzten geschwungenen Brücke hindurch und ins offene Wasser der Lagune hinaus. Aus dem ruhigen Dahingleiten des Bootes wurde ein sachtes Schaukeln, als es in die kaum sichtbare, aber dennoch starke Dünung geriet, und es wurde schlagartig noch kälter. Andrej fragte sich, ob er sich nicht doch getäuscht hatte, als er Abu Duns Sorge, es könne schneien, so einfach abgetan hatte. Immerhin war es Januar, der kälteste Monat des Jahres in einem der kältesten Jahre, an die sich die Menschen in dieser Stadt zurückerinnerten.
    Unwillkürlich sah er nach links, aufs offene Meer hinaus, und obwohl ihm der Anblick nicht neu war, erschreckte er ihn. Allein von hier aus sah er mindestens ein Dutzend Schiffe, und er wusste, dass es noch mehr waren – und noch sehr viel mehr werden würden. Die Stadt rüstete zum Krieg, wieder einmal. Sie tat es langsam, nicht mehr annähernd so effizient und tödlich wie in der Zeit, als sie noch eine Großmacht gewesen war, die den Lauf der Welt wesentlich mitbestimmte und diesen Namen auch verdiente, aber wieder einmal würde Blut fließen, ohne dass die allermeisten derer, denen es gehörte, wussten, warum.
    Bei diesem Gedanken überkam Andrej eine Bitterkeit, die ihn überraschte. Abu Dun und er hatten in mehr Kriegen gekämpft, als die meisten Menschen auch nur kannten, und er hatte schon vor Jahrhunderten aufgehört, die Leben zählen zu wollen, die er mit eigener Hand ausgelöscht hatte. Aber das hier war … Es gelang ihm nicht, das Gefühl in Worte zu fassen. Aber es war auch nicht das erste Mal, dass ihm diese seltsamen Überlegungen kamen, die so gar nicht zu ihm passen wollten.
    »Dort vorn.« Ihr Führer wies mit dem Kopf auf das Meer hinaus, wo Andrejs Blick an einem wuchtigen Umriss hängen blieb, der vor langer Zeit einmal vielleicht ein beeindruckender Turm gewesen sein mochte. Jetzt war nur noch ein trauriger Rest davon geblieben, der Andrej aber eine Menge über seine frühere Bedeutung verriet. Das hier musste vor langer Zeit einmal eine mächtige Festung gewesen sein, die sich auf festem Boden erhoben hatte, nicht auf dem morastigen Untergrund, auf dem der Großteil der bizarren Lagunenstadt balancierte.
    »Dort wohnt der Dottore?« ,fragte Abu Dun.
    »Im Palazzo Stronzo?« Der Größere lachte. »Niemand wohnt dort.«
    »Palazzo was?«, wiederholte Abu Dun, den Dummkopf spielend.
    »Wir sind gleich da, dann könnt Ihr ihn selbst fragen«, sagte der andere Mann. In den Worten lag ein scharfer Verweis an seinen Begleiter. Daher bedeutete Andrej Abu Dun mit einer verstohlenen Geste, still zu sein, bedankte sich mit einem schlichten Kopfnicken für die Auskunft und sah noch einmal zu der unheimlichen Turmruine hin, bevor sein Blick rasch, aber sehr aufmerksam über die Gebäude längs des Ufers tastete. Er begann zu ahnen, was ihr Führer mit seiner kryptischen Bemerkung gemeint hatte. Vom Prunk und der Großzügigkeit der Stadt, die sie bisher kennengelernt hatten, war hier nicht mehr viel zu sehen. Auch hier herrschten ein reges Treiben und emsige Geschäftigkeit, aber niemand war bunt gekleidet, und er hörte auch keine Musik oder ausgelassenes Gelächter. Auf halbem Wege zwischen ihnen und dem zerbrochenen Turm befand sich die kleinste Werft, die er jemals gesehen hatte, und auch aus anderen Gebäuden und Schuppen drangen emsiges Hämmern und Sägen und Hantieren. Die Häuser waren klein und zum größten Teil schäbig, die dem Meer zugewandten Fassaden von Wind und Salzwasser gezeichnet.
    »Baut ihr eure eigene Flotte, um die Stadt zu verteidigen, falls die bösen Muselmanen zurückschlagen?«, witzelte Abu Dun.
    Der größere ihrer beiden Begleiter sah ihn nur böse an, aber der andere antwortete ruhig: »Die meisten Boote sind für die Muschelfischer, oder sie fahren zu den Inseln. Aber wir sind gleich da.«
    »Und dann können wir den Dottore selbst fragen, ich weiß«, seufzte Andrej.
    Allmählich wurde er wirklich neugierig auf diesen Mann.

Kapitel 4
    Vielleicht war alles falsch gewesen, von Anfang an. Vielleicht war die Leere, die er in diesen dunklen Augen sah, der Preis, den das Schicksal ihm für den Frevel abverlangte, sich ihm widersetzt zu haben.
    Es war fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass er das letzte Mal in dieses Gesicht geblickt hatte, aber der Anblick hatte nichts von seinem Schrecken verloren. Er war älter geworden, obwohl das doch

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