Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
aufzublicken. »Es mag nicht den Anschein für dich haben, aber es gibt hier ein Ordnungssystem.«
    »Wo?«, erkundigte sich Abu Dun.
    »Und um deine Frage zu beantworten: Der Junge bekommt seine Medizin zweimal täglich, genau wie es in den Anweisungen eurer schwarzen Freundin stand. Obwohl ich das Rezept eingehend studiert habe und der Meinung bin, dass es keinerlei gesundheitsfördernde Ingredienzen enthält … abgesehen von einem leichten Beruhigungsmittel. Darf ich fragen, wozu es gut ist?«
    »Das dürft Ihr«, antwortete Abu Dun. Und schwieg.
    »Ich verstehe«, sagte Scalsi. »Nun, Andrej, es ist Euer Sohn und somit auch Eure Entscheidung, wie Ihr mit ihm verfahrt. Ich habe mich penibel an meine Anweisungen gehalten. Darüber hinaus kann ich Euch nicht sagen, was geschehen ist. Ich kenne mich ein wenig mit den Verwirrungen des Geistes aus, denn immerhin studiere ich sie seit Jahren. Manchmal frage ich mich sogar, ob wir es mit unserer angeblichen Hilfe nicht nur schlimmer machen.« Nun sah er doch auf, wartete vergebens auf eine Antwort und fuhr schließlich fort: »Es wäre hilfreich zu wissen, gegen welche Krankheit ich eigentlich kämpfe.«
    »Keine, gegen die Eure Medizin etwas ausrichten könnte«, sagte Abu Dun.
    »Bitte leg das weg!« Scalsi machte eine unwillige Geste, als Abu Dun ein schweres und in uraltes Leder gebundenes Buch zur Hand nehmen wollte, und bespritzte dabei seine Papiere und Aufzeichnungen mit unzähligen schwarzen Tintenpunkten. »Und wenn es wirklich so ist, schwarzer Mann, dann lass mich dir dieselbe Frage stellen, die du mir gerade stellen wolltest: Warum habt ihr seinem Leiden kein Ende bereitet?«
    Kopfschüttelnd wandte er sich wieder an Andrej und beantwortete seine eigene Frage. »Weil er Euer Sohn ist und niemand gezwungen sein sollte, über das Leben seines eigenen Kindes zu richten. Doch Ihr solltet Euch fragen, was gnädiger ist.«
    »Dottore, bitte!«, sagte Corinna. Sie klang entsetzt, zumindest aber fassungslos, doch Andrej sah nicht zu ihr hin. Ihr solltet Euch fragen, was gnädiger ist … Als ob er das nicht getan hätte, an jedem einzelnen Tag des zurückliegenden Jahres! Andrej schwieg.
    »Ich verstehe«, sagte Scalsi. »Wie gesagt: Es ist Euer Sohn, und es steht mir nicht zu, Eure Entscheidung zu kritisieren.« Er schrieb weiter.
    »Wo finden wir Meruhe?«, fragte Andrej, nachdem er den Arzt einige Atemzüge lang verwirrt angestarrt und erst langsam begriffen hatte, dass er offensichtlich vorhatte, Abu Dun und ihn schlichtweg zu ignorieren.
    Scalsi hob – widerwillig – den fragenden Blick von seinem Blatt. »Scusi?«
    »Die Frau, die meinen Sohn hergebracht hat.«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Scalsi. »Habt ihr Euch denn nicht irgendwo mit ihr verabredet?«
    »Doch«, sagte Abu Dun. »Hier.«
    »Das hier ist ein Spital, kein Wirtshaus«, erwiderte Scalsi kühl. Seine Schreibfeder kratzte erneut über das Papier, ohne dass er hinsah. »Jetzt, wo Ihr es sagt, erinnere ich mich, dass Schwester Innozenz mir davon erzählt hat. Sie hat wohl tatsächlich den Wunsch geäußert, hier auf Euch warten zu dürfen … was wir natürlich ablehnen mussten.«
    »Natürlich«, grollte Abu Dun.
    »Wir brauchen hier keine Fremden«, sagte Scalsi ungerührt. »Sie würden nur alles durcheinanderbringen und uns bei unserer Arbeit stören.«
    »Und wohin ist sie gegangen?«, fragte Andrej.
    »Das weiß ich nicht«, behauptete Scalsi. »Uns wurde der Junge übergeben, die vereinbarte Summe und ein Blatt mit Anweisungen, wie wir mit ihm zu verfahren haben, und das ist alles, was ich Euch sagen kann.«
    »Darf ich es sehen?«, fragte Andrej.
    Scalsi runzelte ärgerlich die Stirn und kritzelte unbeirrt weiter, öffnete aber zugleich auch mit der anderen Hand die Schublade und zog dasselbe Blatt heraus, das er gerade schon einmal konsultiert hatte. Schweigend reichte er es Andrej, der nur einen flüchtigen Blick darauf warf.
    »Das ist nicht Meruhes Handschrift«, sagte er.
    »Natürlich nicht«, erwiderte Scalsi gelassen. »Weder ich noch irgendein anderer außer Schwester Innozenz ist des Arabischen mächtig. Sie hat ihr ihre Anweisungen diktiert. Ihr könnt dieses Schreiben mitnehmen, wenn Ihr es wünscht. Ich kenne es ohnehin auswendig.«
    Abu Dun trat mit zwei schnellen Schritten neben Andrej, nahm ihm das Blatt aus der Hand und studierte es einen Moment länger als Andrej zuvor. »Und auch nicht Meruhes Wortwahl«, sagte er dann. »Das soll sie diktiert haben?«
    »Du

Weitere Kostenlose Bücher