Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Mutter, nutzte die Gelegenheit aber auch, um sich einen raschen Überblick zu verschaffen. Enricos Männer kehrten nach und nach zurück. Zwei von ihnen standen mit angelegten Gewehren am Ufer und schienen darauf zu warten, dass der gefesselte Nubier wieder auftauchte. Etliche andere standen hilflos da. Auf allen Gesichtern las er die gleiche Mischung aus Verwirrung und blankem Entsetzen.
    »Balean?«, fragte er.
    Corinna schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Haar flog. »Er ist verletzt, aber nicht schlimm«, sagte sie. »Er wird es überstehen.«
    »Gut«, sagte Andrej.
    Dann stieß er sich ab, schleuderte Enrico und auch den Mann neben ihm zu Boden und rannte mit weit ausgreifenden Sprüngen los.
    Es waren vielleicht vier, fünf Schritte bis zum Wasser, und seine Flucht kam wohl so überraschend, dass niemand wirklich begriff, was er tat. Ein einzelner Gewehrschuss krachte, doch die Kugel verfehlte ihn, und noch bevor der zweite Schütze auf ihn anlegen konnte, tauchte er mit einem eleganten Hechtsprung ins schwarze Wasser der Lagune.

Kapitel 7
    Das Wasser war so kalt, dass ihm der Schock des Eintauchens beinahe das Bewusstsein geraubt hätte. Sein Herz machte einen Satz, blieb für etliche Sekunden ganz stehen und hämmerte dann unregelmäßig und viel zu schnell weiter. Für einen Moment verlor er vollkommen die Orientierung. Seine Lungen schrien bereits nach Luft, weil er vor seinem verzweifelten Sprung ins Wasser nicht tief genug eingeatmet hatte, doch statt an die Oberfläche zurück schwamm er mit den beiden ersten Zügen nur noch tiefer und berührte schon fast den schlammigen Grund der Lagune, bevor er seinen Irrtum bemerkte und kehrtmachte. Auf halbem Wege sauste etwas an seinem Gesicht vorbei und zog eine schnurgerade Perlenkette aus silbernen Luftblasen hinter sich her. Doch Atemnot und Kälte machten ihm schon jetzt so sehr zu schaffen, dass es nur noch eine Frage von Augenblicken war, bevor er tatsächlich das Bewusstsein verlieren und sich zu Abu Dun auf den Meeresgrund gesellen würde. Daher blieb ihm nur darauf zu hoffen, dass die Männer einfach blindlings ins Wasser feuerten und diese eine Kugel ihn nur zufällig beinahe getroffen hätte. Wenn nicht, war es möglicherweise um ihn geschehen.
    Der Gedanke weckte Trotz in ihm. Er hatte immer gewusst, dass es Feuerwaffen sein würden, die eines Tages sein Schicksal besiegelten, und sie allein schon deshalb zutiefst verabscheut, aber auch gefürchtet. Aber doch nicht hier, nicht jetzt! Ganz gewiss konnte das Schicksal nicht so grausam sein, Abu Dun und ihn von ein paar dahergelaufenen Tagedieben töten zu lassen, statt ihnen ein Ende auf dem Schlachtfeld zu bereiten, wie es Kriegern wie ihnen zustand.
    Dabei begriff Andrej sehr wohl, dass sich seine Sinne bereits zu verwirren begannen. Auf dem allerletzten Stück glaubte er einen weißen Schemen neben sich im Wasser zu sehen, etwas wie ein bleiches Gesicht, von einem diabolischen Heiligenschein fahlen Haars umweht, das ihn anstarrte, als warte es darauf, dass er zu ihm käme, für immer, in einen Kerker, dessen Wände höher und undurchdringlicher waren, als jede von Menschenhand geschaffene Mauer es sein konnte. Doch gerade als er spürte, wie ihn das Bewusstsein endgültig verließ und seine Kräfte erlahmten, brach er durch die Wasseroberfläche und konnte endlich wieder atmen.
    Nur einen Sekundenbruchteil später traf ihn ein Schlag mit der Wucht eines neuerlichen Kolbenstoßes im Gesicht. Etwas Riesiges und Dunkles wuchs über ihm hoch und versuchte, ihn abermals unter Wasser zu drücken. Andrej hätte geschrien, hätte er nicht mit gierigen Zügen ein- und ausgeatmet, riss aber dennoch ganz instinktiv die Arme hoch, um sich zu verteidigen. Er traf irgendetwas, das so hart war wie Stein und seine Knöchel aufriss, warf sich zur Seite und spürte einen zweiten dumpfen Schlag gegen die Schulter, bevor sich das Chaos hinter seiner Stirn wenigstens so weit beruhigte, dass er begriff, was tatsächlich geschah. Niemand hatte ihn geschlagen oder versuchte gar, ihn zu ertränken. In seiner Panik war er der Kaimauer zu nahe gekommen und hatte sich Gesicht und Hände am rauen Stein aufgeschürft – das war alles.
    Er hatte schlichtweg Glück gehabt. Über ihm polterten Schritte und waren aufgeregte Stimmen zu hören, die durcheinanderschrien. Einer der Männer hatte eine Fackel entzündet, die rote Halbmonde über das Wasser huschen ließ, und als die beiden Musketen sich erneut mit einem nahezu

Weitere Kostenlose Bücher