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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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anrichten, wenn nicht Schlimmeres.
    Allein die Vorstellung gab ihm die Kraft, die unsichtbaren Fesseln der Benommenheit zu sprengen und sich hochzustemmen. Der Kolbenhieb, der diesmal gezielter seine Schläfe traf, wäre hart genug gewesen, um einem normalen Menschen den Schädel zu zertrümmern.
    Auch jetzt verlor er nicht das Bewusstsein, schlitterte aber nun endgültig in einen Abgrund aus Schwärze und Pein, in dem Geräusche und Bilder nur noch verzerrte Echos aus einem bizarren Traum zu sein schienen. Die Schreie wurden lauter, und die Muskete entlud sich zum dritten Mal und jetzt, wie es schien, unmittelbar neben seinem Ohr mit solchem Getöse, dass er vor Schmerz aufschrie. Er ahnte mehr, als er sah, wie Abu Dun zurücktaumelte und dann wie ein gefällter Baum auf die Seite kippte. Schatten führten einen irren Tanz ringsum auf. Er hörte Schreie, Schritte, wurde gepackt und herum- und hart auf den Rücken geworfen. Dann trafen Tritte und Schläge seine Brust, sein Gesicht und seinen Hals und seinen Unterleib, doch er spürte sie kaum noch, denn er konzentrierte sich ganz darauf, den Schmerz auszublenden und die diversen Verletzungen tief in seinem Körper zu heilen. Ganz gleich wie, er musste wieder zu Kräften kommen, bevor Abu Dun ihm zuvorkam und er all diesen Dummköpfen hier die Köpfe abriss.
    Immerhin gelang es ihm, sich auf den Rücken zu rollen und halb auf die Ellbogen zu stemmen, dann stieß ihn ein Fußtritt zurück, und sein Hinterkopf knallte mit solcher Gewalt gegen den Stein, dass er kurze Zeit nur rote Blitze sah. Ihm wurde übel.
    Als sich sein Blick klärte, schwebte Enricos Gesicht über ihm, verzerrt zu einer Grimasse aus Zorn, aber auch abgrundtiefem Schrecken. Die zerbrochene Forke hatte er wieder aufgehoben und zielte mit den Zinken auf seine Augen.
    »Und jetzt sagst du mir, wer du bist und was du mit diesem schwarzen Teufel zu tun hast«, sagte er drohend, »oder ich schicke dich auf der Stelle zu ihm!«
    Andrej las in seinen Augen, wie bitter ernst diese Worte gemeint waren, schüttelte aber nur benommen den Kopf und versuchte, den hölzernen Zinken auszuweichen, die seinen Augen unbarmherzig folgten. Wenn der Bursche ihm das Ding in den Schädel rammte, konnte das durchaus seinen Tod bedeuten.
    Er musste einen Mundvoll halb geronnenes Blut (und einen abgebrochenen Zahn) hinunterschlucken, bevor er auch nur einen Laut herausbekam. »Verschwindet!«, nuschelte er undeutlich. »Lauft weg, solange es noch geht!«
    Das musste Enrico so absurd vorkommen, dass er gar nicht darauf antwortete. »Sag mir einen einzigen Grund, dich nicht zu töten!«, zischte er. »Und was hast du mit diesem schwarzen Hund zu schaffen?«
    Seltsam – aber Andrej hatte das sichere Gefühl, dass er es ernst meinte, sowohl mit seiner Drohung als auch mit seinem fast verzweifelten Wunsch, ihn nicht töten zu müssen.
    Aber dafür war jetzt keine Zeit. Er hörte ein Rascheln, dann einen überraschten Aufschrei und einen ungläubigen Ausruf. »Der Kerl lebt immer noch!«
    Das letzte Wort ging halb im Krachen einer weiteren Muskete unter, unmittelbar gefolgt von einem zweiten Knall, und als Andrej ungeachtet der drohenden Zinken den Kopf drehte, sah er gerade noch, wie Abu Dun, der sich wieder aufgerappelt hatte, wie von einem Fausthieb getroffen gegen die Wand taumelte und abermals zusammenbrach.
    »Fesselt ihn!«, befahl Enrico. »Wenn er noch einmal aufsteht, dann schlagt ihm den Kopf ab!« Ohne auch nur Atem zu holen, versetzte er Andrej einen Tritt, der ihm noch eine Rippe brach, und fuhr mit bebender Stimme fort: »Und du wirst mir jetzt sagen, was das zu bedeuten hat! Was ist das für eine Teufelei? Bring die Zähne auseinander, Kerl, oder ich schlage sie dir ein!«
    Andrej konnte ihm ansehen, dass er diese Drohung nur zu gerne auf der Stelle wahr gemacht hätte – und sei es nur aus Angst –, doch er kam auch jetzt nicht dazu zu antworten. Hinter ihm wurde ein qualvolles und zugleich unendlich wütendes Grunzen laut, und dann erschallte ein ganzer Chor ebenso entsetzter wie ungläubiger Schreie.
    Abu Dun wankte schon wieder auf die Füße. Einer der Männer war tatsächlich mutig – oder auch dumm – genug, ihn anzuspringen, doch der Nubier schleuderte ihn nur mit einer fast beiläufigen Bewegung zu Boden und machte einen schwerfällig tapsenden Schritt. Andrej konnte seinen Schmerz spüren und seine tobende Wut, aber auch, wie sehr ihm die Musketenkugeln zu schaffen machten. Aber wie lange noch? Ein

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