Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
gepackt und hier hereingestoßen«, beschwerte sie sich.
Andrej schlug mit der flachen Hand kräftig gegen die Tür, aber sie zitterte nicht einmal. »Macht auf!«, rief er. »Auf der Stelle! Das ist nicht witzig!« Er bekam keine Antwort, und erst recht wurde die Tür nicht geöffnet. Wahrscheinlich drang seine Stimme nicht einmal durch das dicke Holz. Dennoch versuchte er es noch einmal: »Lasst uns raus! Der Dottore wird das nicht gutheißen!«
Auch jetzt erfolgte keine Reaktion, und Andrej spielte einen Moment lang ernsthaft mit dem Gedanken, die Tür kurzerhand einzutreten, entschied sich aber dann dagegen. Wahrscheinlich hatte sich dieses zu groß geratene Kind nur einen Spaß gemacht, und er sah keinen Sinn darin, ihm noch mehr Ärger zu bereiten. Er würde einfach abwarten, bis Abu Dun zurückkam und sie befreite. Auch wenn er sich die bissigen Kommentare des Nubiers schon jetzt lebhaft vorstellen konnte.
Er hörte, wie Corinna sich rasch irgendwo hinter ihm bewegte dann folgte wieder atemlose Stille.
»Andrej«, sagte Corinna.
»Ich weiß«, erwiderte Andrej. »Ich spüre es auch.«
Kapitel 11
Es war, als hätte etwas den Raum betreten. Andrej wusste, dass es unmöglich war. Selbst der flüchtige Blick, den er in die Runde geworfen hatte, hatte ihm gezeigt, dass es keinen zweiten Eingang gab, nicht einmal ein Fenster. Dennoch spürte er mit fast körperlicher Intensität, dass sie nicht länger allein waren. Jemand war hier. Etwas. Etwas sehr Altes, sehr Mächtiges und sehr Gefährliches.
Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu vergeuden, wandte er sich wieder der Tür zu und rammte den Handballen in Höhe des Riegels dagegen. Das Holz ächzte hörbar, und die gesamte Tür zitterte, erwies sich aber dennoch als weit widerstandsfähiger, als er angenommen hatte. Er wich einen halben Schritt zurück und versuchte es diesmal mit einem Fußtritt.
Das Schloss zerbarst mit einem Laut wie ein Peitschenknall, und die Tür flog auf und mit solcher Gewalt gegen die Wand, dass eine der geschmiedeten Angeln brach. Ein überraschter Schrei erklang, und ein Schatten huschte davon.
Andrej fuhr auf dem Absatz herum, ergriff Corinnas Arm und zerrte sie mit sich aus der Zelle. Die Dunkelheit hinter ihr … bewegte sich, als wäre da etwas Großes und unsagbar Finsteres, das nach ihr hatte greifen wollen und sie nur um Haaresbreite verfehlte.
Draußen im Gang war der kleinere der beiden Männer gegen die gegenüberliegende Wand gestolpert und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Seine Hände umklammerten den Stiel seines Besens, als wäre er das Letzte, was ihn noch in der Welt der Lebenden hielt. Der Größere war zu Boden gegangen und glotzte ihn fassungslos an. Seine linke Hand, deren Gelenk er mit der anderen umklammerte, blutete heftig. Wahrscheinlich hatte ihn die Tür getroffen.
Andrej zog Corinna rasch ein paar Schritte zur Seite, überzeugte sich mit einem Blick in ihr Gesicht davon, dass sie zumindest innerhalb der nächsten Sekunden nicht in Panik ausbrechen würde, und wandte sich dann zornig an die beiden Männer. Den Blick in die jetzt weit offen stehende Zelle vermied er sorgfältig.
»Was sollte das?«, fuhr er sie an. »Findet ihr das etwa spaßig?«
»Niemand darf da rein«, sagte der große Bursche. Seiner Stimme war anzuhören, dass er mit den Tränen kämpfte. »Das hat der Dottore verboten!«
»Und deshalb …« Andrej kämpfte seinen Zorn mit einiger Mühe nieder und zwang sich, ruhiger weiterzusprechen. »Was ist in dieser Zelle passiert?«
»Das darf ich nicht sagen«, antwortete der Mann.
»Weil der Dottore es dir verboten hat«, vermutete Andrej, wartete das zögerliche Nicken seines Gegenübers ab und fuhr dann sanfter, aber in bewusst ermahnendem Ton fort: »Aber er hat doch bestimmt nicht gesagt, dass ihr uns einschließen sollt, oder? Weil ja niemand wissen darf, was da drinnen passiert ist.«
Ein neuerliches Nicken. Andrej machte ein angestrengt nachdenkliches Gesicht. »Aber wenn ich erzähle, dass du die hübsche Signorina und mich dort eingesperrt hast, dann wird er auch wissen, dass wir sein Geheimnis kennen, und sehr böse auf dich werden.«
»Aber er hat doch gesagt –«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Andrej. »Aber hab keine Angst. Ich werde dich nicht verraten. Und deinen Freund auch nicht. Das bleibt unser Geheimnis, das verspreche ich dir. Aber dafür musst du auch etwas für mich tun.«
»Und … was?«, fragte der Bursche misstrauisch.
»Du musst mir
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