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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sagte sie jetzt und wollte den Kopf wenden. Ich löschte schnell die Kerze, und sie sah mich stehen, den Rücken dem schon bleich aufgehellten Fenster zugekehrt. ›Wenn Sie meine Bitte nicht erfüllen^ sagte ich, ›und wenn Sie glauben, ich sei der Teufel, werde ich sterben. Geben Sie mir den Schlüssel! Ich könnte Sie jetzt umbringen, wenn ich wollte, verstehen Sie?‹ Und ich trat auf sie zu und zeigte mich ihr, so daß es ihr den Atem verschlug und sie zurückwich und sich an der Stuhllehne festklammerte. ›Doch ich will es nicht‹, setzte ich hinzu. »Lieber will ich sterben, als Ihnen ein Leid antun. Aber ich werde sterben, wenn Sie mir nicht den Schlüssel geben, um den ich Sie bitte.‹
    Ich hatte es geschafft. Was sie dachte, wußte ich nicht, aber sie gab mir den Schlüssel zu einem Vorratsraum im Erdgeschoß, wo Wein gelagert wurde, und ich bin sicher, daß sie sah, wie Lestat und ich die Särge hineintrugen. Ich verschloß die Tür nicht nur, sondern verbarrikadierte sie.
    Als ich am Abend erwachte, war Lestat schon auf.«
    »Sie hat also Wort gehalten?« sagte der Junge.
    »Ja. Aber sie war einen Schritt weitergegangen. Sie hatte nicht nur unsere verschlossene Tür respektiert, sondern sie auch von außen verschlossen.«
    »Die Geschichte von den Sklaven - sie hatte sie gehört?«
    »Ja, sie hatte sie gehört. Lestat entdeckte als erster, daß wir eingesperrt waren, und wurde wütend. Er hatte die Absicht gehabt, so schnell wie möglich nach New Orleans zu gehen. Sein Verdacht fiel auf mich. ›Ich habe dich nur so lange gebraucht, wie mein Vater lebte‹, sagte er und versuchte verzweifelt, einen Ausgang zu finden. Wir waren in einem Kerker.
    ›Jetzt werde ich mir nichts mehr von dir gefallen lassen, das sage ich dir‹, fuhr er fort. Er hatte keineswegs den Wunsch, mich fallenzulassen. Ich saß da und bemühte mich, Stimmen über uns zu hören, und wünschte, er möge den Mund halten, denn ich hatte keine Lust, ihm meine Hoffnungen anzuvertrauen oder das, was ich für Babette emp fand.
    Und noch über etwas anderes dachte ich nach. Du hast mich über Empfindung und Unbeteiligtsein befragt. Ein Aspekt davon - Unbeteiligtsein verbunden mit Empfindung, würde ich sagen - ist der, daß man an zwei Dinge zugleich denken kann. Man kann denken, daß man nicht sicher ist und vielleicht sterben muß, und man kann an etwas sehr Entferntes und Abstraktes denken. Und so war es bei mir der Fall. Ich dachte in jenem Augenblick, wortlos und tief im Innern, wie köstlich die Freundschaft zwischen mir und Lestat sein könnte, wieviel wir gemeinsam haben könnten und wie wenig Hindernisse es geben müsse. Vielleicht war es Babettes Nähe, die mich so etwas denken ließ, denn wie hätte ich sie je kennengelernt, wenn nicht durch diesen letzten, endgültigen Weg - ihr Leben zu nehmen, mich mit ihr zu vereinen in einer Umarmung des Todes, wenn meine Seele mit ihrem Herzen eins werden und sich von ihm nähren würde. Aber meine Seele wünschte sich, Babette zu erkennen ohne die Notwendigkeit, sie zu töten, ohne sie jedes Atemzuges, jedes Tropfen Blutes zu berauben. Und Lestat - wie hätten wir einander verstehen können, wäre er nur ein Mann von Charakter oder auch nur ein wenig Denkvermögen gewesen. Mir kamen die Worte seines alten Vaters in den Sinn: der glänzende Schüler Lestat, ein Freund der Bücher, die verbrannt worden waren. Ich hingegen kannte nur den Lestat, der über meine Bibliothek die Nase gerümpft und sich schonungslos über meine Lektüre und meine Meditationen lustig gemacht hatte.
    Allmählich wurde es im Hause über unseren. Köpfen, ruhiger. Nur bin. und wieder bewegten sich noch Schritte, knackten die Dielen, und durch die Ritzen drang schwaches Licht. Lestat betastete die Ziegelwände, und sein hartes, unerbittliches Vampirgesicht verzog sich zu einer Miene menschlicher Enttäuschung. Ich war überzeugt, daß wir uns sofort trennen mußten, daß ich, wenn es notwendig wäre, einen Ozean zwischen uns legen müßte. Und mir wurde klar, daß ich ihn so lange erduldet hatte, weil ich Zweifel an mir hegte. Es war Selbstbetrug gewesen zu glauben, ich wäre des alten Mannes und meiner Schwester und ihres Gatten wegen geblieben. Ich war bei Lestat geblieben, weil ich befürchtet hatte, er wisse wichtige Geheimnisse als Vampir, die ich allein nicht entdecken konnte, und, noch wichtiger, weil er der einzige meiner Art war, den ich kannte. Er hatte mir nie verraten, auf welche Weise er Vampir geworden,

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