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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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herbei, um Armeen in die Flucht zu schlagen oder Raubtiere zu bändigen.«
    Er blieb unbewegt, aber ich fuhr unverdrossen fort.
    »Und so verhält es sich offensichtlich auch mit dem Bösen. Es ändert sich. Wer glaubt heute noch an das Kreuz, das deine Jünger in Furcht und Schrecken versetzt? Meinst du, daß sich die Sterblichen da oben über Himmel und Hölle unterhalten? Sie unterhalten sich über Philosophie und Wissenschaft! Was kümmert es sie schon, wenn weißgesichtige Spukgestalten nach Einbruch der Dunkelheit durch einen Friedhof streichen? Ein paar Mörder mehr in einem Dickicht von Mördern. Wie kann das für Gott oder den Teufel oder den Menschen von Interesse sein?«
    Wieder hörte ich die alte Vampirkönigin lachen. Aber Armand rührte sich nicht und schwieg.
    »Man wird dich sogar deiner Spielwiese hier berauben«, fuhr ich fort. »Dieser Friedhof, in dem du dich verbirgst, soll demnächst verschwinden. Selbst die Gebeine unserer Vorfahren sind in profanen Zeiten wie diesen nicht mehr heilig.«
    Sein Gesicht veränderte sich plötzlich; diesmal konnte er seinen Schreck nicht verbergen.
    »Les Innocents zerstört!« flüsterte er. »Du lügst mich an…«
    »Ich lüge nie jemanden an«, sagte ich gelassen. »Wenigstens niemanden, den ich nicht liebe. Die Bewohner von Paris haben die Nase voll von dem Gestank der Friedhöfe. Die Symbole der Toten liegen ihnen weniger am Herzen als dir. In ein paar Jahren werden hier Märkte, Straßen und Häuser sein. Handel und Wandel. So sieht das achtzehnte Jahrhundert nun mal aus.«
    »Hör auf!« flüsterte er heiser. »Les Innocents gibt es schon so lange wie mich!« Sein Knabengesicht wirkte angespannt; die alte Königin aber blieb ungerührt.
    »Verstehst du denn nicht?« sagte ich sanft. »Die Zeiten haben sich geändert. Auch das Böse muß sich ändern. Und ich bin dieses neue Böse.« Ich hielt inne, beobachtete ihn. »Ich bin der zeitgemäße Vampir.«
    Auf derlei war er nicht gefaßt gewesen. Und ich sah, wie er allmählich verstand und es mit der Angst zu tun bekam.
    »Dieser Zwischenfall in der Dorfkirche heute abend«, sagte ich vorsichtig, »das war unanständig, zugegeben. Meine Kapriolen auf der Bühne - noch schlimmer. Aber das waren nur Entgleisungen. Und du weißt, daß das nicht die Quelle deines Grolls ist. Vergiß das mal kurz und versuche, an meine Schönheit und Macht zu denken. Versuche, das Böse zu sehen, das ich bin. Ich stolziere in den Kleidern der Sterblichen durch die Welt - übler geht es nicht, das Monster, das aussieht wie jeder andere auch.«
    Die Vampirfrau ließ ihr Gelächter in einen leisen Singsang gleiten.
    Von Armand fing ich nur Schmerz auf und von ihr die warme Ausstrahlung ihrer Liebe.
    »Denk darüber nach, Armand«, drang ich behutsam auf ihn ein. »Warum sollte der Tod in den Schatten lauem? Warum sollte der Tod am Gatter warten? Es gibt keine Schlafgemächer, keine Ballsäle, die mir verschlossen wären. Der Tod in der Kaminglut, der Tod auf Zehenspitzen im Korridor, das ist es, was ich bin. Du erzählst mir von den Gaben der Finsternis - ich gebrauche sie. Ich bin der Gentleman-Tod in Seide und Spitze, der kommt, um die Lebenslichter auszulöschen. Der Stachel am Stengel der Rose.«
    Nicolas stöhnte schwach auf, und ich glaube, ich hörte Armand seufzen.
    »Diese Gott- und Machtlosen, die Les Innocents zerstören wollen«, sagte ich, »können sich nirgends vor mir verstecken. Der Riegel, der mich aussperrt, muß erst noch erfunden werden.«
    Er starrte mich wortlos an. Er machte einen traurigen und ruhigen Eindruck. Seine Augen hatten sich ein wenig verdüstert, aber sie zeigten keinerlei Groll oder Wut. Er schwieg lange. Dann sagte er:
    »Eine großartige Botschaft ist das, sie gnadenlos zu schikanieren, während du unter ihnen lebst. Aber du bist es, der noch immer nicht versteht.«
    »Wie das?« fragte ich.
    »Du kannst in der Welt nicht überdauern, wenn du unter den Menschen lebst, du kannst nicht überleben.«
    »Offenbar doch«, sagte ich schlicht. »Die alten Mysterien haben einem neuen Stil Platz gemacht. Und wer weiß, was noch alles kommt? Bei dir ist jegliche Romantik ausgeklammert, bei mir bestimmt nicht!«
    »So stark kannst du gar nicht sein«, sagte er, »um unter Menschen zu überdauern. Du weißt nicht, wovon du sprichst, du bist gerade erst entstanden, du bist zu jung.«
    »Mir scheint dieses Kind sehr wohl sehr stark zu sein«, sagte die Königin grübelnd, »und seine hübsche, neugeborene

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