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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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den Weihrauch, das Feuer, die Gelübde, wenn wir den Bösen in der Finsternis zu sehen glaubten…«
    »Schweig!« sagte der Meister. In einer seltsam menschlichen Geste hätte er sich beinahe die Ohren zugehalten. Er sah verloren wie ein kleiner Junge aus.
    Wieder heftete er seinen Blick auf mich. Einen Moment lang glaubte ich, er würde wieder eine seiner fürchterlichen Metamorphosen durchmachen oder in zügellose Gewalt ausbrechen, und ich war auf der Hut.
    Aber er beschwor mich stumm.
    Warum mußte das geschehene! Seine Stimme blieb ihm fast im Halse stecken, als er das laut wiederholte, während er seine Wut zu zügeln suchte. »Du bist mir eine Erklärung schuldig. Warum tobst du wie ein aufgedonnerter Pfau durch die Welt, ausgerechnet du, der du so stark wie zehn Vampire bist und den Mut einer ganzen Hölle voller Teufel besitzt. Lelio, der Schauspieler, der sich uns in einem Boulevardtheater zur Schau stellte! Warum? Warum bloß?«
    »Es war Magnus’ Kraft, Magnus’ Genie«, sang die Vampirin sehnsüchtig lächelnd.
    »Nein!« Er schüttelte den Kopf. »Es ist mehr als das. Ich sage dir, er kennt keine Grenzen, und deshalb kann ihm auch nichts und niemand Grenzen setzen. Aber warum?«
    Er kam ein wenig näher, anscheinend ohne die Füße zu bewegen, eher wie eine Erscheinung, die besser gesehen werden wollte.
    »Warum ausgerechnet du«, begehrte er zu wissen, »der du die Dreistigkeit hast, in ihren Straßen zu spazieren, ihre Türschlösser aufzubrechen, sie mit Namen anzusprechen. Du spielst an ihren Tischen, du betrügst und umarmst sie, trinkst ihr Blut nur ein paar Schritte von jenen Stätten entfernt, wo andere Sterbliche lachen und tanzen. Du, der du Friedhöfe meidest und aus Grabkammern in Kirchen auftauchst. Warum ausgerechnet du? Gedankenlos, arrogant und verächtlich wie du bist! Du schuldest mir eine Erklärung. Antworte mir!«
    Mein Herz raste. Mein Gesicht war warm und von Blut durchpulst. Ich hatte jetzt keine Angst vor ihm, aber ich war so wütend, wie kein Sterblicher je wütend sein kann, und ich wußte nicht einmal genau, warum.
    Ich hatte beabsichtigt, sein Inneres zu durchdringen - und alles, was ich hörte, waren diese abergläubischen Absurditäten. Er war kein erhabener Geist, der verstand, was seine Jünger nicht verstanden hatten. Er war nicht nur gläubig, er hatte an all das selbst geglaubt, was tausendmal schlimmer war!
    Und mir wurde klar, was er war - keineswegs ein Dämon oder Engel, sondern ein zartfühlendes Wesen, geschmiedet in einer finsteren Zeit, als die Sterne nichts weiter als kleine Laternen der Götter und Göttinnen waren, einer Zeit, da der Mensch der Mittelpunkt des Universums war, einer Zeit, da es auf jede Frage eine Antwort gab. Genau das war er, ein Kind vergangener Tage, als Hexen noch um den Mond tanzten und Ritter Drachen bezwangen.
    Ach, armes, verirrtes Kind, das die Katakomben unter einer Großstadt durchstreift, noch dazu in einem dir unverständlichen Jahrhundert. Vielleicht ist deine sterbliche Gestalt passender, als ich dachte.
    Aber ich hatte keine Zeit, ihn zu bemitleiden, so schön er auch war. Die Eingemauerten litten, weil er es wollte, und alle, die er hinausgeschickt hatte, konnten zurückbeordert werden.
    Ich mußte mir auf seine Frage eine Antwort einfallen lassen, die er akzeptieren konnte. Die Wahrheit reichte nicht. Sie mußte poetisch verpackt werden, so wie es die alten Gelehrten im Zeitalter vor der Aufklärung getan hätten.
    »Meine Antwort?« sagte ich mild. Ich sammelte meine Gedanken und spürte förmlich Gabrielles Warnsignale, Nickis Angst. »Ich bin weder ein Reisender in Sachen Mysterien«, sagte ich, »noch ein Freund der Philosophie. Aber es ist eindeutig, was hier geschah.«
    Er fixierte mich mit seltsamer Ernsthaftigkeit.
    »Wenn du die Macht Gottes so sehr fürchtest«, sagte ich, »dann sind dir ja die Lehren der Kirche nicht unbekannt. Du mußt wissen, daß jede Epoche unter frommen Tugenden etwas anderes versteht, daß jedes Zeitalter seine eigenen Heiligen verehrt.« Offenbar schenkte er meinen Ausführungen Beachtung.
    »Früher«, sagte ich, »gab es Märtyrer, die die Flammen zum Verlöschen brachten, in denen sie verbrennen sollten, Mystiker, die sich in die Luft erhoben, wenn sie die Stimme Gottes vernahmen. Aber mit der Welt haben sich die Heiligen verändert. Was sind sie heutzutage schon anderes als gehorsame Nonnen und Pfarrer? Sie errichten Spitäler und Waisenhäuser, aber sie rufen nicht die Engel

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