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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Schmerz erfüllte mich; er trübte meine Sehkraft und rief mir die Erinnerung an Magnus’ Verlies wieder wach, an die sterblichen Gefangenen, die in der stinkenden Gruft zwischen den verwesten Leichen ähnlich Unglücklicher gestorben waren.
    Armand sah mich nun an, als würde ich ihn ebenso quälen, wie es die alte Königin mit ihrem Gelächter tat. Und ihr Gelächter schien kein Ende zu nehmen. Armand streckte seine Hände vor, als wollte er mich berühren, aber er wagte es nicht.
    Alle Freude und alles Leid der letzten Monate bündelte sich in mir. Ich wollte plötzlich losbrüllen, wie damals auf Renauds Bühne. Meine Gefühle drohten mich zu überwältigen. Wieder stammelte ich blödsinniges Zeug.
    »Lestat!« flüsterte Gabrielle.
    »Sterbliche lieben?« sagte ich. Ich starrte das unmenschliche Gesicht der alten Königin an, plötzlich entsetzt über den Anblick ihrer schwarzen Wimpern, die dornengleich ihre glitzernden Augen umrandeten, und ihres Fleisches, das beseeltem Marmor glich. » Sterbliche lieben? Braucht man dazu dreihundertjahre?« Ich warf Gabrielle einen Blick zu. »Schon in den ersten Nächten liebte ich sie, wenn ich sie in den Armen hielt. Ich liebe sie, wenn ich ihr Leben austrinke. Mein Gott, ist das nicht das Wesen der Gabe der Finsternis?«
    Meine Stimme schwoll an, wie damals im Theater. »Ach, was seid ihr doch für jämmerliche Geschöpfe, daß ihr nicht lieben könnt, daß das eure höchste Weisheit ist, die simple Fähigkeit zu fühlen!«
    Ich wich von ihnen zurück, ließ meinen Blick durch dieses riesige Grab schweifen mit seiner feuchten Erde, die sich über unseren Köpfen wölbte. Die Stätte schien sich zu dematerialisieren und in eine Halluzination zu wandeln.
    »Gott, büßt ihr durch die Zauber der Finsternis euren Verstand ein«, fragte ich, »durch eure Rituale, durch eure Gewohnheit, Novizen in Gräber zu stecken? Oder wart ihr schon zu Lebzeiten Monster? Wie ist es nur möglich, daß wir nicht alle unausgesetzt die Sterblichen lieben?«
    Keine Antwort. Nur die sinnlosen Schreie der Eingemauerten.
    Keine Antwort. Bloß Nickis schwaches Herzschlagen.
    »Wie auch immer, hört mich an«, sagte ich und deutete mit dem Finger erst auf Armand, dann auf die alte Königin. »Ich habe dem Teufel nie meine Seele versprochen! Und wenn ich diese Frau hier erschuf, dann um sie vor den Würmern zu bewahren, die hier unten die Leichen fressen. Wenn die Hölle, von der ihr sprecht, darin besteht, Sterbliche zu lieben, dann bin ich bereits in der Hölle. Ich habe meinen Schicksalsweg gefunden. Laßt ihn mich weiterschreiten, und damit sollen alle Rechnungen beglichen sein.«
    Meine Stimme versagte. Ich keuchte. Ich fuhr mir mit den Händen durchs Haar. Armand schien zu leuchten, als er sich mir näherte. Sein Gesicht war ein Bild scheinbarer Reinheit und Ehrfurcht.
    »Tote Wesen, tote Wesen…«, sagte ich. »Komm nicht näher. In dieser stinkenden Stätte von Irrsinn und Liebe zu reden! Und dieses alte Monster Magnus, das sie alle in seinem Verlies eingekerkert hat. Wie hat er sie denn geliebt, seine Gefangenen? Wie ein kleiner Junge Schmetterlinge liebt, wenn er ihnen die Flügel ausreißt!«
    »Nein, Kind, du glaubst nur zu verstehen«, sang die alte Vampirfrau gelassen. »Du hast erst zu lieben angefangen.« Sie ließ ein leises, trällerndes Lachen vernehmen. »Du hast Mitleid mit ihnen, das ist alles. Und mit dir, weil du nicht gleichzeitig menschlich und unmenschlich sein kannst. Stimmt das etwa nicht?«
    »Lügen!« sagte ich. Ich legte meinen Arm um Gabrielle.
    »Du wirst alles mit den Augen der Liebe sehen«, fuhr die alte Königin fort, »wenn du ein verderbtes und hassenswertes Wesen bist. Das ist deine Unsterblichkeit, Kind. Ein ständig wachsendes Verstehen.« Und sie warf brüllend die Arme empor.
    »Hol euch der Teufel«, sagte ich. Ich nahm Gabrielle und Nicki in die Arme und trug sie in Richtung Ausgang. »Ihr seid bereits in der Hölle«, sagte ich, »und genau da beabsichtige ich euch jetzt zu lassen.«
    Ich hob Nicolas aus Gabrielles Armen, und wir rannten durch die Katakombe der Treppe entgegen. Hinter uns brach die alte Königin in ekstatisches Gelächter aus. Und wie Orpheus blieb ich stehen und drehte mich um.
    »Mach schnell, Lestat!« flüsterte mir Nicolas ins Ohr. Und Gabrielle trieb mich mit einer verzweifelten Geste zur Eile an.
    Armand hatte sich nicht gerührt, und die alte Frau stand noch immer lachend neben ihm.
    »Adieu, tapferes Kind«, krächzte sie.

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