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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ich war der Mensch gewesen.
    Und jetzt war das alles vorbei.
    Rauch und Salz und Fleisch und pulsierendes Blut.
    »Das ist der Hexenplatz! Lestat, hörst du mich? Das ist der Hexenplatz! « Ein dumpfes Aufbeben unserer alten Geheimnisse, unserer Liebe, der Dinge, um die nur wir wußten. Tanz auf dem Hexenplatz. Kannst du das fortwischen, kannst du einfach alles fortwischen, was zwischen uns gewesen ist?
    Ihn aus Frankreich schaffen. Ihn in die Neue Welt schicken. Und was dann? Er würde zeitlebens einer jener zwar ganz interessanten, doch recht ermüdenden Sterblichen sein, die Geister gesehen hatten und pausenlos darüber redeten, ohne daß ihm jemand Glauben schenkte. Fortschreitender Wahnsinn, würde man sagen, und vielleicht würde er schließlich als komischer Verrückter enden, der in einem zerlumpten Mantel in den Straßen von Port-au-Prince für die Leute Geige spielte.
    »Sei wieder sein Impresario«, hatte sie gesagt. War das meine Rolle? Kein Mensch  wird jemals seinen verrückten Geschichten Glauben schenken.
    Aber er weiß, wo wir tagsüber ruhen, Mutter. Er weiß unsere Namen, den Namen unserer Sippe - er weiß zuviel über uns. Und er wird nie freiwillig in ein anderes Land gehen. Und sie könnten seine Spur aufnehmen; sie werden ihn jetzt um keinen Preis leben lassen.
    Wo sind SIE ?
    Ich stieg im Wirbelwind seiner Schreie die Treppe hoch und blickte durch das kleine, vergitterte Fenster in die offene Landschaft. Sie würden wiederkommen. Sie mußten kommen. Zuerst war ich allein gewesen, dann war ich mit ihr zusammen und nun mit ihnen!
    Aber was war das Problem? Daß Nicolas es wollte? Daß er Gift und Galle gespien hatte, weil ich ihm meine Macht vorenthielt?
    Oder verhielt es sich vielmehr so, daß ich jetzt die Ausreden hatte, deren ich bedurfte, um ihn zu mir zu holen, wie ich es von Anfang an ersehnt hatte’? Mein Nicolas, mein Geliebter. Die Ewigkeit wartet. All die großen und herrlichen Freuden des Totseins.
    Ich stieg die Treppe weiter hoch, ihm entgegen, und der Durst brodelte in mir.
    Zum Teufel mit seinem Geschrei. Ich war das willfährige Instrument meines Durstes.
    Und seine Schreie wurden immer unartikulierter, waren nur noch Grundlaute seiner Flüche, die dumpfe Begleitmusik seines Elends, das ich auch ohne akustisches Beiwerk hören konnte. Die Lautfetzen, die über seine Lippen drangen, hatten etwas ähnlich lustvoll Sinnliches wie der Blutstrom, der durch seine Adern pulsierte.
    Ich steckte den Schlüssel ins Schloß, und sofort war Nicolas ruhig, seine Gedanken spülten zurück in sein Inneres, als könne der Ozean in die winzige Spirale einer einzigen Muschel gesogen werden.
    Ich versuchte, ihn im Dunkel des Raumes auszumachen und nicht sie - die Liebe zu ihm, die schmerzvollen Monate voller Sehnsucht nach ihm, das schreckliche und nie nachlassende, menschliche Verlangen nach ihm, die Lust. Ich versuchte, den Sterblichen auszumachen, der nicht wußte, was er sagte, während er mich anstarrte. »Du und dein Geschwätz über das Gute« - tiefe, gärende Stimme, funkelnde Augen -, »dein Geschwätz über Cut und Böse, über das Richtige und das Falsche und über den Tod, o ja, den Tod, das Grauen, die Tragödie…«
    Worte. Geboren aus dem ewig sprudelnden Strom des Hasses, wie Blumen, die sich im Strom öffnen, ihre Blütenblätter entfalten und dann vergehen. »… und du hast sie teilhaftig werden lassen, der Sohn des Herrn beglückt die Frau des Herrn mit der Gabe der Finsternis. Die im Schloß wohnen, werden der Gabe der Finsternis teilhaftig - niemals wurden sie zum Hexenplatz gezerrt, wo am Fuße des verbrannten Scheiterhaufens menschliche Blutlachen kleben, nein, tötet das alte Weib, das nicht einmal mehr Strümpfe stopfen kann, und den Idiotenjungen, der kein Feld zu pflügen imstande ist. Und was schenkt er uns, der Herrschaftssohn, der Wolftöter, der auf dem Hexenplatz von einem Schreikrampf geschüttelt wurde?
    Brosamen, die von des Reichen Tisch fallen! Das ist gut genug für unsereins!« Schaudern. Schweißdurchtränktes Hemd. Glänzendes, festes Fleisch unter der zerrissenen Spitze. Aufreizend allein schon der Anblick, der schlanke, muskulöse Torso, den Bildhauer so sehr schätzen, rosa Brustwarzen auf der dunklen Haut. »Diese Macht« - hervorgesprudelt, als habe er schon den ganzen Tag diese Worte mit gleichbleibender Heftigkeit wiederholt, als sei meine Anwesenheit ohne Belang-, »diese Macht, die all die Lügen sinnlos

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