Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
die alten und geistesgestörten Vampire den Flammen zu übergeben, wenn sie Satan nicht mehr angemessen dienen könnten. Er sei verpflichtet, alle Vampire zu vernichten, die nicht wohlgeraten seien. Er sei verpflichtet, all jene zu vernichten, die so schwer verletzt seien, daß sie allein nicht mehr überleben könnten. Und schließlich sei er verpflichtet, die Ausgestoßenen zu vernichten und alle, die die Gesetze gebrochen hätten.
Fünftens - daß kein Vampir einem Sterblichen jemals seine wahre Natur oder die Geschichte der Vampire enthüllen dürfe und daß ein Sterblicher, sollte er jemals etwas davon erfahren, niemals weiterleben dürfe. Keinem Vampir sei es gestattet, die Geschichte der Vampire oder wahre Kunde über die Vampire zu Papier zu bringen, damit solche Aufzeichnungen von Sterblichen nicht aufgefunden und geglaubt werden könnten. Und nie dürften Sterbliche den Namen eines Vampirs erfahren, außer durch dessen Grabstein, und nie dürfe ein Vampir den Sterblichen den Standort seiner Ruhestätte oder der irgendeines anderen Vampirs verraten.
Das also seien die berühmten Gebote, denen alle Vampire zu gehorchen hätten, wenn ihnen ihre Existenz lieb sei.
Freilich seien schon immer auch Geschichten von uralten, schrecklich mächtigen Ketzervampiren in Umlauf, Vampiren, die sich niemandem unterwürfen, nicht einmal dem Teufel selbst -Vampiren, die schon seit Jahrtausenden überdauert hätten. Kinder des Millenniums würden sie zuweilen genannt. Im Norden Europas gebe es die Sage von Mael, der in den Wäldern Englands und Schottlands hause, und in Kleinasien die Legende der Pandora. Und in Ägypten die alte Sage von dem Vampir Ramses, der gerade erst wieder gesehen worden sei.
In allen Teilen der Welt finde man derartige Legenden. Und freilich könne man sie als Hirngespinste abtun, hätte es da nicht eines gegeben. Der alte Ketzer Marius sei in Venedig aufgegriffen und von den Kindern der Finsternis dort selbst bestraft worden. Die Mariuslegende beruhe auf Wahrheit. Aber Marius sei nicht mehr.
Armand äußerte sich nicht dazu. Er verriet Santino nichts von den Traumen, die er gehabt hatte. Und in Wahrheit hatten sich diese Träume längst schon aus Armands Geist und Herz verflüchtigt wie die Farben auf Marius’ Gemälden.
Als Santino von JENEN, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN sprach, versicherte Armand erneut, daß er nicht wisse, was damit gemeint sei. Und Santino und die Seinen wußten es genausowenig.
Hingegangen war das Geheimnis. Hingegangen war Marius. Und damit war das alte und nutzlose Mysterium ewigem Schweigen überantwortet. Satan war unser Herr und Meister. In Satan besaßen wir Wissen und Weisheit.
Armand war die reinste Freude für Santino. Er lernte die Gesetze auswendig, bewies großes Geschick im Gebet und in der Durchführung ritueller Zauberkünste. Er wurde Zeuge so manchen Hexensabbats, der seinesgleichen suchte. Und zu seinen Lehrmeistern zählten die mächtigsten und gewandtesten und schönsten Vampire der Zeit. Er war ein derart gelehriger Schüler, daß er Missionar wurde und ausgesandt wurde, um die vagabundierenden Kinder der Finsternis Orden zuzuführen und um die anderen beim Zelebrieren des Sabbats zu leiten und bei der Ausführung der Zauber der Finsternis, wenn es die Welt und das Fleisch und den Teufel danach verlangte.
In Spanien und Deutschland und Frankreich lehrte er die Dunklen Segnungen und die Zauber der Finsternis, und er hatte ungestüme und hartnäckige Kinder der Finsternis kennengelernt, und warm war es ihm uns Herz geworden in ihrer Gesellschaft und in jenen Augenblicken, da ihn der Orden umringte, um bei ihm Trost und Einheit und Kraft zu suchen.
Die Kunst des Tötens beherrschte er besser als alle Kinder der Finsternis, die er kannte. Er hatte gelernt, all jene anzulocken, die wirklich sterben wollten. Er mußte sich nur in der Nähe menschlicher Behausungen aufhalten, und das Opfer erschien auf seinen stummen Ruf hin.
Alte, Junge, Elende, Kranke, Schöne, Häßliche - es war ganz egal, er war nicht wählerisch. Er betörte sie mit den strahlendsten Visionen, wenn sie zu empfangen bereit waren, aber niemals näherte er sich ihnen oder umarmte sie gar. Magisch von ihm angezogen, waren sie es, die ihn umarmten. Und wenn er ihr warmes, lebendes Fleisch spürte, wenn er die Lippen öffnete und wenn das Blut spritzte, dann wußte er, daß nichts anderes sein Unglück zu mindern vermochte.
In diesen Augenblicken empfand er deutlich, daß seine
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