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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Mit bloßen Händen würden wir das Krokodil und den Löwen bezwingen. Vielleicht würden wir die Nilquelle entdecken.
    Ich fing am ganzen Körper zu zittern an.
    Soll das heißen, daß du mich für immer verlassen wirst, wenn ich nicht mitkomme?
    Ich blickte zu diesen schrecklichen Statuen empor. Ich glaube, ich sagte: »Darauf läuft es also hinaus.«
    Darum also hatte sie meine Nähe gesucht, darum also hatte sie durch tausenderlei Kleinigkeiten gefallen wollen, darum also waren wir jetzt zusammen. Es hatte nichts mit Nickis Heimgang in die Ewigkeit zu tun. Sie befaßte sich gerade mit einer ganz anderen Art von Abschied.
    Sie schüttelte den Kopf, als hielte sie Selbstgespräche, als überlegte sie, was zu tun sei. Mit einlullender Stimme schilderte sie mir die feuchte und angenehme Hitze tropischer Nächte.
    »Komm mit mir, Lestat«, sagte sie. »Tagsüber schlafe ich im Sand. Nachts bin ich unterwegs, als könnte ich wirklich fliegen. Ich brauche keinen Namen. Ich hinterlasse keine Fußspuren. Ich möchte bis ans Ende Afrikas. Ich werde jenen eine Göttin sein, die ich umbringe.«
    Sie kam näher und legte mir ihren Arm um die Schulter und drückte ihre Lippen auf meine Wange, und ich sah, wie ihre Augen unter der Hutkrempe funkelten. Und wie der Mondschein ihren Mund glasierte.
    Ich hörte mich stöhnen. Und ich schüttelte den Kopf.
    »Ich kann nicht, und du weißt es«, sagte ich. »Ich kann es ebensowenig, wie du bei mir bleiben könntest.«
    Auf dem Rückweg nach Kairo mußte ich die ganze Zeit daran denken, was mir in diesen schmerzlichen Augenblicken durch den Kopf gegangen war, was ich gewußt, aber nicht ausgesprochen hatte, als wir in der Wüste vor den Memnonkolossen gestanden waren.
    Für mich war sie bereits gestorben! Schon seit Jahren. Das war mir klargeworden, als ich, noch um Nicki trauernd, auf die Straße trat und sie auf mich warten sah.
    Es war schon alles vor Jahren auf die eine oder andere Weise in der Gruft des Turms ausgesprochen worden. Sie konnte mir nicht geben, was ich von ihr wollte. Und ich konnte sie nicht mit Gewalt zu dem machen, was sie einfach nicht war. Aber am schlimmsten war dabei, daß sie von mir rein nichts wollte!
    Sie bat mich nur aus Pflichtgefühl, mit ihr zu kommen. Mitleid, Traurigkeit vielleicht waren das auch noch Gründe. Aber in Wirklichkeit wollte sie nur frei sein.
    Nach unserer Rückkunft blieb sie weiterhin bei mir. Sie blieb und schwieg. Und ich versank immer mehr in meinem eigenen Elend, stumm, betäubt, in Erwartung des nächsten grauenvollen Schlags. Sie wird Lebewohl sagen, und ich kann nichts dagegen tun. Wann werde ich anfangen, meinen Verstand zu verlieren? Wann werde ich anfangen, hemmungslos zu heulen?
    Nicht jetzt.
    Als wir die Lampen in dem Haus entzündeten, nahmen mich die Farben förmlich unter Beschuß - Perserteppiche, mit zierlichen Blumen bedeckt, eine Million winziger Spiegel in das Zeltwerk gewoben, das leuchtende Gefieder der herumflatternden Vögel.
    Ich sah mich vergeblich nach einem Brief von Roget um und wurde plötzlich wütend. Ausgeschlossen, daß er noch immer nicht geschrieben hatte. Ich mußte wissen, was in Paris los war! Dann bekam ich es mit der Angst zu tun.
    »Was zum Teufel geht in Frankreich vor?« murmelte ich. »Ich muß andere Europäer auftreiben. Die Briten wissen immer alles. Die schleppen überall ihren dämlichen indischen Tee und ihre London Times mit sich herum.«
    Es machte mich rasend, daß sie einfach nur schweigend dastand. Es war, als würde sich in dem Raum etwas zusammenbrauen – dieser schreckliche Druck und diese Vorahnung, wie damals in der Gruft, ehe Armand uns seine lange Geschichte erzählte.
    Aber nichts geschah, außer daß sie drauf und dran war, mich für immer zu verlassen. Sie würde für immer in die Zeit entgleiten. Und wie sollten wir uns jemals wiederfinden?
    »Verdammt«, sagte ich. »Ich habe einen Brief erwartet.« Keine Dienstboten da. Sie wußten nicht, wann wir zurückkommen würden. Ich wollte jemanden ausschicken, um ein paar Musiker zu dingen. Ich hatte mich gerade vollgesaugt, und ich war warm und hatte Lust zu tanzen.
    Plötzlich rührte sie sich. Bedächtig setzte sie sich in Bewegung und ging mit ungewohnter Zielstrebigkeit in den Innenhof. Ich sah, wie sie beim Teich niederkniete. Sie hob zwei Steinplatten hoch, las einen Brief auf, wischte die Erde von dem Kuvert und brachte es mir.
    Ich hatte sogleich gesehen, daß der Brief von Roget und bereits vor unserer Nilreise

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