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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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versprechen«, sagte sie schließlich.
    »Natürlich«, antwortete ich. Aber ich war jetzt so niedergeschmettert, daß ich nicht mehr reden wollte. Die Farben verblaßten.
    Die Nacht war weder heiß noch kalt. Ich wünschte, sie ginge einfach, und dennoch fürchtete ich nichts mehr als diesen unwiderruflichen Augenblick.
    »Versprich mir, daß du nie den endgültigen Schritt tun wirst«, sagte sie, »ohne erst noch einmal mit mir zusammengewesen zu sein, ohne daß wir uns noch einmal getroffen haben.«
    Ich war so überrascht, daß ich erst nichts antworten konnte. Dann sagte ich: »Ich werde nie den endgültigen Schritt tun.« Das hörte sich fast wie Spott an. »Mein Versprechen hast du. Das fällt wirklich nicht schwer. Aber versprichst du mir auch etwas? Daß du mich wissen läßt, wohin du von hier aus gehst und wo ich dich erreichen kann - daß du nicht einfach verschwindest, wie etwas, das ich mir nur eingebildet habe -«
    Ich schwieg. Meine Stimme hatte eine zunehmend hysterische Färbung angenommen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß sie einen Brief schreiben und absenden würde oder irgend etwas täte, das an die Gepflogenheiten der Sterblichen gemahnte. Es war, als würden wir über keinerlei natürliche Gemeinsamkeiten verfügen, als sei das auch nie der Fall gewesen.
    »Ich hoffe, daß du mit deiner Selbsteinschätzung richtig liegst«, sagte sie.
    »Ich glaube an nichts, Mutter«, sagte ich. »Du hast Armand vor langer Zeit erzählt, daß du glaubst, in den großen Dschungeln und Wäldern Antworten zu finden; daß die Sterne schließlich eine letzte Wahrheit offenbaren werden. Aber ich glaube an nichts. Und das macht mich stärker, als du glaubst.«
    »Warum habe ich dann solche Angst um dich?« fragte sie. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Keuchen. Ich mußte ihre Lippen lesen, um sie zu verstehen.
    »Du spürst meine Einsamkeit«, antwortete ich, »meine Verbitterung, vom Leben ausgeschlossen zu sein. Meine Verbitterung, daß ich verderbt bin, daß ich es nicht verdiene, geliebt zu werden, obwohl ich so sehr nach Liebe dürste. Mein Schmerz, daß ich mich Sterblichen niemals offenbaren kann. Aber all das kann mich nicht unterkriegen, Mutter. Ich bin zu stark, als daß sie mich unterkriegen könnten. Wie du einmal selbst gesagt hast, ich bin gut im Schlechtsein. All das bekümmert mich ab und zu, nichts weiter.«
    »Ich liebe dich, mein Sohn«, sagte sie.
    Ich wollte etwas über ihr Versprechen sagen, über die Bevollmächtigten in Rom, daß sie schreiben sollte. Ich wollte sagen…
    »Halte dein Versprechen«, sagte sie.
    Und plötzlich wußte ich, daß dies unsere letzten Sekunden waren. Ich wußte es, und ich konnte nichts dagegen tun.
    »Gabrielle!« flüsterte ich.
    Aber sie war schon fort.
    Das Zimmer, der Garten draußen, die Nacht - alles war in Schweigen versunken.
    Kurz vor der Morgendämmerung öffnete ich die Augen. Ich lag auf dem Fußboden des Hauses. Ich hatte geweint und war dann eingeschlafen.
    Zeit, nach Alexandrien aufzubrechen. Ich wußte, daß ich eine möglichst lange Wegstrecke zurücklegen sollte, um mich dann bei Sonnenaufgang im Sand zu vergraben. Es würde bestimmt schön sein, in der sandigen Erde zu schlafen. Ich wußte auch, daß das Gartentor offenstand. Daß keine Tür abgesperrt war.
    Aber ich konnte mich nicht rühren. Fast teilnahmslos stellte ich mir vor, wie ich sie in ganz Kairo aufzuspüren versuchte. Nach ihr rief, sie bat zurückzukommen. Kurz war mir, als hätte ich das tatsächlich getan, als wäre ich hinter ihr hergerannt, um ihr wieder etwas über das Schicksal zu erzählen: daß es mir bestimmt gewesen sei, sie zu verlieren, wie es Nickis Bestimmung gewesen sei, seine Hände zu verlieren. Unsere Aufgabe aber bestünde darin, das Schicksal zu untergraben und über es zu triumphieren.
    Sinnlos war das. Und ich war nicht hinter ihr hergerannt. Ich war auf der Pirsch gewesen und war zurückgekommen. Sie hatte Kairo schon längst hinter sich gelassen. Und sie war mir entschwunden wie ein Sandkorn im Wind.
    Nach geraumer Zeit drehte ich mich um. Hochroter Himmel über dem Garten, hochrotes Licht auf den Dächern. Die Sonne nahte - und die Hitze nahte, und in den labyrinthischen Gassen Kairos erwachte tausendfaches Stimmengewirr, und aus dem Sand und den Bäumen und den Grasflecken schien ein Geräusch zu dringen.
    Und während ich all dem lauschte, spürte ich ganz allmählich, daß ein Sterblicher in der Nähe war.
    Er stand in dem offenen Gartentor

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