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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Haar?
    Mein Leid wurde immer unermeßlicher, es erhob sich wie eine Flutwelle, die alle in sich barg, die ich verloren hatte, Tote wie Untote.
    Aber das verging, und ich hatte wieder das Gefühl zu versinken, das Gefühl, das wir im Traum haben, wenn wir aus eigener oder fremder Willenskraft umherfliegen.
    »Sag mir, was du brauchst, Mutter«, sagte ich ruhig. Kultivierte Inneneinrichtung. Tisch. Lampe. Stuhl. All meine knallbunten Vögel weggegeben, wahrscheinlich, um im Bazar verkauft zu werden. Afrikanische Graupapageien, die so alt wie Menschen werden. Nicki war dreißig Jahre alt geworden.
    »Möchtest du Geld von mir?«
    Gabrielle errötete wunderschön, ihre Augen flackerten blau und violett auf. Einen Moment lang sah sie menschlich aus. Wir hätten ebensogut in ihrem Zimmer zu Hause stehen können. Bücher, die feuchten Wände, das Kaminfeuer. War sie also doch menschlich?
    Als sie ihren Kopf senkte, bedeckte die Hutkrempe kurz ihr Gesicht. Unerklärlicherweise fragte sie: »Aber wo willst du denn hin?«
    »Zu einem kleinen Haus in der Rue Dumaine in der alten französischen Stadt New Orleans«, antwortete ich kalt und präzis. »Und wenn er gestorben und begraben ist - dann weiß ich auch nicht, was weiter.«
    »Das ist doch nicht dein Ernst«, sagte sie.
    »Ich fahre mit dem nächsten Schiff«, sagte ich. »Erst nach Neapel, dann weiter nach Barcelona. In Lissabon werde ich mich nach der Neuen Welt einschiffen.«
    Ihre Gesichtszüge schienen sich zu verhärten. Ihre Lippen bewegten sich ein klein wenig, aber sie sagte nichts. Und dann sah ich, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, und ich spürte ihre Gefühlswallung so deutlich, als würde sie mich berühren. Ich blickte fort und kramte auf dem Tisch herum, und dann hielt ich nur noch meine Hände ruhig, damit sie nicht zitterten. Ich dachte, gottlob hat Nicki seine Hände mit ins Feuer genommen, sonst müßte ich einen Umweg über Paris machen, um sie abzuholen.
    »Aber du kannst doch nicht zu ihm gehen!« flüsterte sie.
    Zu ihm? Ach so. Zu meinem Vater.
    »Was soll’s? Ich gehe!« sagte ich.
    Sie machte eine mißbilligende Kopfbewegung. Sie trat an den Tisch. Ihr Gang war leichter als der Armands.
    »Hat irgend jemand aus unserer Zunft je eine solche Überfahrt gemacht?« fragte sie leise.
    »Nicht daß ich wüßte. In Rom meinten sie, nein.«
    »Vielleicht geht das ja gar nicht, diese Überfahrt.«
    »Es geht. Und du weißt es.« Wir waren schon in unseren mit Kork ausgeschlagenen Särgen über die Meere gekreuzt. Gnade dem Seeungeheuer, das mir Scherereien machte.
    Sie kam noch näher und blickte mich an. Ihr Gesicht vermochte ihren Schmerz nicht mehr zu verbergen. Sie sah einfach hinreißend aus. Warum hatte ich sie bloß je Ballkleider und gefiederte Hüte und Perlen tragen lassen?
    »Du weißt, wo du mich erreichen kannst«, sagte ich, aber mein verbitterter Ton klang nicht recht überzeugend. »Über die Adressen meiner Banken in London und Rom. Diese Banken existieren bereits so lange wie die Vampire. Und es wird sie immer geben. Aber das weißt du ja alles, hast du immer schon gewußt…«
    »Hör auf«, sagte sie leise. »So brauchst du nicht mit mir zu reden.«
    Welch lächerliches, verlogenes Schauspiel ich da gab! Genau diese Art der Konversation hatte sie immer gehaßt. In meinen wildesten Träumen hätte ich das alles für unmöglich gehalten - daß ich so gefühllose Sachen sagte, daß sie weinen würde. Ich dachte, ich würde heulen, wenn sie mir sagte, sie ginge fort. Ich dachte, ich würde mich ihr zu Füßen werfen.
    Wir sahen uns lange an, ihre Augen rotgetönt, ihr Mund beinahe bebend. Und dann konnte ich mich nicht mehr halten. Ich umfing mit beiden Armen ihren kleinen, zarten Körper. Ich war fest entschlossen, sie nicht gehen zu lassen, egal, wie heftig sie sich wehrte. Aber sie wehrte sich nicht, und wir versanken beide in lautloses Schluchzen. Aber sie lieferte sich mir nicht aus. Sie schmolz nicht dahin in meiner Umarmung. Und dann befreite sie sich. Mit beiden Händen strich sie mir übers Haar, und sie beugte sich vor und küßte mich auf den Mund, und dann wandte sie sich ab.
    »Also gut, mein Liebling«, sagte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. Unausgesprochene Worte, Worte, Worte. Sie konnte mit ihnen nichts anfangen, hatte es noch nie gekonnt.
    Schleppend und anmutig, wie es ihre Art war, ging sie zu der Tür, die zum Garten führte, und blickte zum Nachthimmel hoch, bevor sie wieder mich ansah.
    »Eins mußt du mir

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