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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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bewegen, und plötzlich überwältigte mich die Erinnerung an Blut, wie es in meinen Mund floß.
    Seine roten Samtkleider glommen wie schwache Glut vor meinen Augen, der bodenlange Mantel, die dunkelroten Handschuhe. Sein volles, weißes, mit Goldsträhnen durchwirktes Haar umrahmte sein Gesicht und fiel auf seine breite Stirn. Die großen, blauen Augen waren so sanft und gefühlvoll wie seine Stimme. Ein Mann in der Blüte seiner Jahre in dem Moment, da er die Schwelle zur Unsterblichkeit überschreitet. Und das kantige Gesicht mit seinen leicht gehöhlten Wangen und seinem breiten, vollen Mund von geradezu furchterregend sanftmütiger Friedlichkeit geprägt.
    »Trinke«, sagte er. Die Augenbrauen hoben sich ein wenig, die Lippen formten das Wort so langsam und bedacht, als wollten sie zu einem Kuß ansetzen. Wie Magnus in jener Todesnacht hob er jetzt seine Hand und schlug den Kragen zurück. Bot mir die dunkelviolette Halsader dar.
    Blut, wie göttliches Licht, flüssiges Feuer. Unser Blut.
    Und meine Arme schlangen sich um seine Schultern, mein Gesicht schmiegte sich an sein kühles, weißes Fleisch, das Blut schoß in meine Lenden hinunter und entflammte jedes Gefäß meines Körpers. Wie viele Jahrhunderte hatten dieses Blut geläutert, seine Kraft destilliert?
    In das quellende Rauschen mischte sich seine Stimme. Wieder sagte er; »Trink, mein Kind, mein Verwundeter.«
    Ich spürte, wie sein Herz anschwoll, sein Körper wogte, und wir schmolzen aneinander.
    Ich glaube, ich hörte mich sagen: »Marius.«
    Und er antwortete: »Ja.«

 
     
Teil 7
Alte Magie, alte Rätsel

1
    Als ich aufwachte, war ich an Bord eines Schiffes. Ich konnte das Knarren der Planken hören, das Meer riechen. Ich konnte das Blut der Mannschaft riechen. Und ich wußte, daß es sich um eine Galeere handelte, da ich unter dem Rumpeln des riesigen Leinwandsegels den rhythmischen Schlag der Ruder hörte.
    Ich vermochte meine Augen nicht zu öffnen, vermochte meine Glieder nicht zu bewegen. Doch ich war ruhig. Ich hatte keinen Durst und war von einem Gefühl vollkommenen Friedens erfüllt. Mein Körper war warm, als hätte ich mich gerade gelabt, und es war schön, dazuliegen und vor sich hinzuträumen auf dem sanft wogenden Meer.
    Dann bekam ich wieder einen klaren Kopf. Ich wußte, daß wir sehr schnell durch ziemlich ruhiges Gewässer glitten. Und die Sonne war gerade untergegangen. Der Abendhimmel wurde dunkel, der Wind ließ nach.
    Dann hatte ich die Augen geöffnet und den Sarg und die hinterste Kabine des Schiffs verlassen und mich aufs Deck begeben. Ich atmete die frische Salzluft und genoß den Anblick des verglühenden Himmels und der funkelnden Sternmassen über mir. An Land sehen die Sterne nie so aus. Nie sind sie so nah.
    Zu beiden Seiten waren dunkle, bergige Inseln, Klippen, mit winzigen flackernden Lichtem übersprenkelt. Die Luft war vom Geruch alles Grünen erfüllt, der Blumen, des Landes selbst. Und das kleine, elegante Schiff glitt schnell auf die klippengesäumte Meerenge vor uns zu.
    Ich fühlte mich ungewohnt stark, geistig voll auf der Höhe. Einen Augenblick lang war ich versucht herauszufinden, wie ich hierhergelangt war, ob ich in der Ägäis oder im Mittelmeer selbst war, wann wir Kairo verlassen hatten und ob die Ereignisse, an die ich mich erinnerte, wirklich stattgefunden hatten. Aber in stummer Billigung des gegenwärtigen Geschehens wischte ich diese Gedanken gleich wieder fort.
    Marius war auf der Brücke vor dem Hauptmast.
    Ich ging nach vorne, stellte mich unter die Brücke und blickte hoch. Marius trug den langen, roten Samtmantel, den er schon in Kairo getragen hatte, und sein volles weißblondes Haar wurde vom Wind nach hinten geweht. Sein Blick war auf die Durchfahrt vor uns geheftet, auf die gefährlich aufragenden Felsen, und seine Linke hielt die Reling umklammert.
    Ich fühlte mich unwiderstehlich zu ihm hingezogen, und das Gefühl vollkommenen inneren Friedens wurde noch stärker. Sein Gesicht, seine Haltung strahlten nicht jene bedrohlich hochmütige Würde aus, die mich hätte demütigen oder verängstigen können. Nur ruhige Vornehmheit umgab ihn.
    Allzu geschmeidig war sein Gesicht, das schon. Es hatte den Glanz des feinen Gewebes auf Narben, es war so glatt, daß es in einer dunklen Straße Überraschung, wenn nicht Furcht ausgelöst hätte, denn es sonderte einen schwachen Lichtglanz aus. Aber andererseits war sein Gesichtsausdruck zu warmherzig und zu menschlich in seiner

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