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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Höhe erreicht, daß ich nicht mehr wagte, hinabzublicken.
    Einmal hielt ich mich an einem Ast fest, um mich umzudrehen, und ich sah, wie Marius gleichmäßig ausschreitend hinter mir war, den Seesack über die Schulter geworfen. Die Bucht, die ferne kleine Ortschaft und der Hafen, alles sah wie Spielzeug aus, als hätte ein Kind auf einer Tischplatte mit einem Spiegel und Sand und winzigen Holzstückchen die Landschaft nachgebaut.
    Ich konnte sogar über die Durchfahrt aufs offene Meer und die schwarzen Umrisse anderer Inseln sehen. Marius lächelte und wartete. Dann flüsterte er sehr höflich: »Geh weiter.«
    Und ich setzte meinen Weg ohne Unterbrechung bis zum Gipfel fort. Ich kroch über einen letzten Felsvorsprung und richtete mich in weichem Gras wieder auf.
    Noch höhere Felsen und Klippen ragten vor uns auf und, gleichsam aus ihnen wachsend, erhob sich ein gewaltiges, festungsähnliches Haus. Die Fenster waren erleuchtet, und auch auf den Türmen brannten Lichter.
    Marius legte mir den Arm um die Schulter und ging zum Eingang. Vor dem schweren Portal hielt er inne. Dann von innen das Geräusch eines zurückgleitenden Riegels. Die Tür öffnete sich, und Marius führte mich in die Eingangshalle, die von zwei Fackeln hell erleuchtet war.
    Leicht erschrocken stellte ich fest, daß niemand da war, der den Riegel hätte zurückschieben oder die Tür öffnen können. Indessen drehte sich Marius um und sah die Tür an, und die Tür fiel ins Schloß. »Schieb den Riegel vor«, sagte er.
    Ich fragte mich, warum er das nicht auch auf selbsttätige Weise bewerkstelligte, aber ich tat sofort, wie mir geheißen.
    »So ist es viel einfacher«, sagte er leicht schalkhaft. »Ich zeige dir jetzt das Zimmer, in dem du gefahrlos schlafen kannst, und wenn du willst, kannst du zu mir kommen.«
    Ich konnte sonst niemanden in dem Haus hören. Aber Sterbliche waren hiergewesen, soviel stand fest. Sie hatten überall ihren Geruch hinterlassen. Und die Fackeln waren alle gerade erst angezündet worden. Wir gingen eine kleine Treppe hoch, und als ich in das mir zugewiesene Zimmer kam, war ich überwältigt.
    Es war ein immenser Raum, dessen eine Seite aus einem riesigen Fenster zu einer über dem Meer schwebenden Terrasse hin bestand.
    Als ich mich umdrehte, war Marius verschwunden. Und auch der Seesack war fort. Aber Nickis Geige und mein Gepäck lagen auf einem Steintisch in der Mitte des Zimmers.
    Beim Anblick der Geige durchfuhr mich ein Strom aus Trauer und Erleichterung. Ich hatte schon befürchtet, sie verloren zu haben.
    In dem Zimmer waren Steinbänke, und eine Öllampe brannte auf einem Gestell. Und am anderen Ende befand sich eine Nische mit zwei schweren Holztüren. Ich ging hin und öffnete sie und fand mich in einem kleinen Gang, der nach wenigen Schritten rechtwinklig abbog. Dahinter stand ein Sarkophag mit einem schmucklosen Deckel. Der Sarkophag war aus Diorit, einer der, wenn ich nicht irre, härtesten Gesteinsarten der Welt, und sein Deckel war unglaublich schwer, und als ich die Unterseite in Augenschein nahm, sah ich, daß sie mit Eisen ausgeschlagen und mit einem Riegel versehen war, der von innen zugeschoben werden konnte.
    Mehrere glitzernde Gegenstände lagen auf dem Boden des Gehäuses. Als ich sie in die Hand nahm, funkelten sie fast magisch in dem Licht, das aus dem Zimmer hereindrang.
    Da war eine goldene Maske, die Gesichtszüge sorgfältig modelliert, die Lippen geschlossen, die Augenschlitze schmal, aber geöffnet, das Ganze an einem Helm aus getriebenem Gold befestigt. Die Maske selbst war schwer, aber der Helm war sehr leicht und elastisch. Außerdem lag da noch ein Paar Lederhandschuhe, ganz mit kleinen, schuppenartigen Goldplättchen bedeckt. Und schließlich eine große rote Wolldecke, an deren eine Seite etwas größere Goldplättchen angenäht waren.
    Ich begriff, daß, wenn ich diese Maske und diese Handschuhe anlegte und die Decke über mich breitete, ich vor Licht geschützt wäre, sollte jemand den Sarkophag öffnen, während ich schlief.
    Aber es war höchst unwahrscheinlich, daß irgend jemand den Deckel würde öffnen können. Und die Türen dieser L-förmigen Kammer waren ebenfalls mit Eisen ausgeschlagen und mit einem Riegel versehen.
    Von diesen eigenartigen Gegenständen ging ein gewisser Zauber aus. Mir machte es Spaß, sie anzufassen, und ich stellte mir vor, wie ich wohl aussah, wenn ich darin schlief. Dann begab ich mich wieder in mein Zimmer, zog die Gewänder aus, die ich

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