Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Gehrock und den langen Renaissancelocken, die mit Spangen zusammengehalten waren, sah er aus wie aus einem Roman von Dickens. Sein ewig junges Gesicht hatte die unschuldigen Züge eines David Copperfield und den Stolz eines Steerforth - alles andere als seine wahre Natur.
Für einen Augenblick flammte ein helles Licht auf, als er mich sah. Dann starrte er auf die Narben, die mein Gesicht und meine Hände bedeckten, und mitleidig sagte: »Komm herein, Lestat.«
Er nahm meine Hand, und wir gingen zusammen durch das Haus, das er am Fuß von Magnus’ Turm gebaut hatte, ein dunkler und düsterer Ort, wie geschaffen für die Byronschen Schrecken dieses merkwürdigen Zeitalters.
»Weißt du, es gibt ein Gerücht, nach dem du irgendwo in Ägypten oder im Femen Osten dein Ende gefunden hast«, sagte er schnell in französischer Umgangssprache, lebhaft, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Er hatte gelernt, so zu tun, als sei er ein lebendiges Wesen. »Du bist mit dem alten Jahrhundert verschwunden, ohne daß je wieder jemand etwas von dir gehört hat.«
»Und Gabrielle?« fragte ich und wunderte mich, daß ich nicht schon gleich an der Tür damit herausgeplatzt war.
»Seit du Paris verlassen hast, wurde sie nicht mehr gesehen«, sagte er. Wieder sah er mich liebevoll an. Und er konnte nur schwer verbergen, wie erregt er war, es war wie ein Fieber, das ich fühlen konnte, wie die Wärme von einem offenen Feuer. Ich wußte, daß er versuchte, meine Gedanken zu lesen. »Was ist mit dir passiert?« fragte er.
Er machte sich Gedanken wegen meiner Narben. Es waren zu viele, die ineinander übergingen, die Narben von einem Angriff, der meinen Tod zum Ziel hatte. Plötzlich bekam ich Angst, daß ich ihm in meiner Verwirrung alles erzählen würde, all die Dinge, die Marius mir schon vor langer Zeit anvertraut hatte und die ich auf keinen Fall weitererzählen durfte.
Aber dann war es die Geschichte von Louis und Claudia, die aus mir heraussprudelte, gestotterte halbe Wahrheiten, ohne die eine wichtige Tatsache: daß Claudia nur… ein Kind gewesen war.
Ich erzählte kurz von den Jahren in Louisiana und wie sie sich am Ende gegen mich erhoben hatten, genauso wie er es vorausgesagt hatte von meinen Kindern. Ich gestand ihm alles, offen und ehrlich, und erklärte ihm, daß ich jetzt sein Blut brauchte. Diese Qualen und Schmerzen, alles vor ihm auszubreiten, zu fühlen, wie er überlegte. Ja sagen zu müssen, ja, du hattest recht. Zwar ist das nicht die ganze Geschichte, aber im wesentlichen hattest du recht.
Sah ich Traurigkeit in seinem Gesicht? Freude war es bestimmt nicht. Ohne aufdringlich zu sein, betrachtete er meine zitternden Hände, die meine Worte unterstrichen. Er wartete geduldig, als ich ins Stottern geriet, nicht gleich die richtigen Worte fand.
Ein paar Schluck von seinem Blut würden meine Heilung vorantreiben, flüsterte ich. Nur ein kleines bißchen, und ich würde wieder einen klaren Gedanken fassen können. Ich bemühte mich, nicht überheblich oder anmaßend zu klingen, als ich ihn daran erinnerte, daß ich ihm diesen Turm hier gegeben hätte und auch das Gold, mit dem er das Haus gebaut hatte, und daß das Theater der Vampire noch immer mir gehörte, daß er diese kleine, diese intime Sache doch bestimmt für mich tun könnte. Was ich sagte, klang ziemlich naiv, verwirrt, wie ich war, und so schwach und durstig und furchtsam. Das flackernde Feuer machte mir Angst. Das Licht auf den dunklen Hölzern in diesen muffigen Räumen malte Phantasiegebilde, Gesichter tauchten auf und verschwanden wieder.
»Ich werde nicht in Paris bleiben«, sagte ich. »Ich will dir keine Ungelegenheiten machen, und auch nicht dem Orden am Theater. Ich bitte dich nur um diesen einen kleinen Gefallen. Ich bitte dich…« Es schien, als wäre ich mit meinem Mut und meinen Worten am Ende.
Dann herrschte lange Zeit Schweigen.
»Erzähl mir noch einmal von diesem Louis«, sagte er schließlich.
Mir stiegen Tränen in die Augen. Ich wiederholte die dummen Phrasen über Louis’ unumstößliche Menschlichkeit, sein Verständnis für Dinge, die die ändern Unsterblichen nicht begreifen konnten. Sorglos plauderte ich Dinge aus, die mir aus dem Herzen kamen. Nicht Louis hatte mich angegriffen, sondern die Frau, Claudia…
Ich sah, wie er lebendig wurde. Eine blasse Röte schoß ihm in die Wangen.
»Die wurden hier in Paris gesehen«, sagte er leise. »Und sie ist auch keine Frau, dieses Wesen. Sie ist ein Vampirkind.«
Ich erinnere
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