Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
es, sie hat es getan, ja, und dann Armand verfluchte, als er mich wieder zurückstieß in den Schatten, mit unschuldigem Gesicht, so strahlend wie eh und je.
»Das hast du gut gemacht, Lestat. Das hast du wirklich gut gemacht.«
Was hatte ich denn getan? Zeugnis abgelegt gegen sie, weil sie die alten Regeln gebrochen hatten? Hatten sie sich gegen den Meister des Ordens erhoben? Was wußten sie von den alten Regeln? Ich rief nach Louis. Und dann trank ich in der Dunkelheit Blut, lebendes Blut von einem anderen Opfer, aber es war nicht das heilende Blut, es war nur Blut.
Wir stiegen wieder in den Wagen, und es regnete. Wir fuhren über das Land. Und dann ging es durch den alten Turm hinauf und immer weiter hinauf, bis zum Dach. Ich hatte Claudias blutiges gelbes Kleid in den Händen. Ich hatte sie an einem engen nassen Ort gesehen, an dem die Sonne sie verbrannt hatte. »Verstreut die Asche!« hatte ich gesagt. Aber niemand rührte sich, es zu tun. Das zerfetzte blutige gelbe Kleid lag auf dem Kellerboden. Jetzt hielt ich es in den Händen. »Sie werden doch die Asche verstreuen, nicht wahr? «fragte ich.
»Wolltest du nicht Gerechtigkeit?« fragte Armand, dicht in sein schwarzes Wollcape eingehüllt, und sein Gesicht dunkel von der Kraft der eben vollzogenen Tötung.
Was hatte das mit Gerechtigkeit zu tun? Warum hielt ich dieses Stück Stoff in den Händen, dieses kleine Kleid?
Ich sah über Magnus’ Turmzinnen hinaus, und ich sah, daß die Stadt gekommen war, um mich zu holen. Sie hatte ihre langen Arme ausgestreckt, um den Turm gelegt, und die Luft stank nach Rauch aus den Fabriken.
Armand stand still am Steingeländer und beobachtete mich, und plötzlich wirkte er nicht älter als Claudia. Und achte darauf, daß sie ein Leben hatten, bevor du sie machst, und mach nie, niemals einen, der so jung ist wie Armand. Als sie starb, hatte sie kein einziges Wort gesagt. Sie hatte die, die sie umgaben, angesehen, als wären es Riesen mit einer fremden Sprache.
Armands Augen waren gerötet.
»Louis - wo ist er?« fragte ich. »Sie haben ihn nicht getötet. Ich habe ihn gesehen. Er ging hinaus in den Regen…«
»Sie sind hinter ihm her«, erwiderte er. »Sie haben ihn schon vernichtet.« Lügner, mit dem Gesicht eines Chorknaben.
»Halte sie auf, du mußt es tun! Wenn es noch nicht zu spät ist…«
Er schüttelte den Kopf.
»Warum kannst du sie nicht zurückholen? Warum hast du das alles getan, der Prozeß, gerade der, was kümmert es dich, was sie mir angetan haben?«
»Es ist vorbei.«
Hinter dem Toben des Windes war der Aufschrei einer Dampfpfeife zu hören. Den Gedanken verloren. Verloren… wollte nicht zurück. Louis, komm zurück.
»Du willst mir nicht helfen, nicht wahr?« Verzweiflung.
Er beugte sich nach vom, sein Gesicht veränderte sich, wie es sich vor vielen Jahren verändert hatte, als würde es von seinem Zorn von innen heraus geschmolzen.
»Du, der uns alle vernichtet hat, du, der sich alles genommen hat. Wieso hast du geglaubt, daß ich dir helfen würde?« Er kam näher, sein Gesicht war zusammengefallen. »Du, der uns auf die gespenstischen Plakate auf dem Boulevard du Temple gebracht hat, du, der uns zum Gegenstand billiger Geschichten und seichten Salongeplauders gemacht hat!«
»Aber das habe ich nicht. Du weißt, daß ich … das schwöre ich… das war nicht ich!«
»Du, der unsere Geheimnisse ins Rampenlicht gezerrt hat - der Modische, der Marquis mit den weißen Handschuhen, der Teufel im Samtumhang!«
»Du mußt verrückt sein, mich für alles verantwortlich zu machen. Dazu hast du kein Recht«, sagte ich, aber meine Stimme zitterte, daß ich meine eigenen Worte nicht verstehen konnte.
Wie die Zunge einer Schlange ging er auf mich los.
»Wir hatten unseren Garten Eden unter jenem alten Friedhof«, zischte er mich an. »Wir hatten unseren Glauben und unseren Sinn. Du hast uns mit einem flammenden Schwert daraus vertrieben. Und was haben wir jetzt? Antworte mir! Nichts, außer unserer Liebe füreinander, aber was bedeutet das schon für Kreaturen wie uns!«
»Nein, das ist nicht wahr, das hatte alles schon begonnen. Du verstehst es nicht. Du hast noch nie etwas verstanden.«
Aber er hörte mir nicht zu. Und es spielte auch gar keine Rolle, ob er mir zuhörte oder nicht. Er kam näher, und wie ein schwarzer Blitz fuhr seine Hand nach vorn, und ich flog nach hinten und sah den Himmel und Paris, die auf dem Kopf standen.
Ich fiel durch die Luft.
Ich stürzte immer tiefer und
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