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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mich nicht mehr, was dann passierte. Vielleicht habe ich versucht, ihm diesen Schnitzer zu erklären. Vielleicht habe ich zugegeben, daß es für das, was ich getan hatte, keine Entschuldigung gab. Vielleicht bin ich wieder auf den Zweck meines Besuchs zurückgekommen, zu dem, was ich brauchte, was ich unbedingt haben mußte. Ich erinnere mich noch, daß ich mich zutiefst gedemütigt fühlte, als er mit mir zu den wartenden Wagen ging, als er mir sagte, daß wir zum Theater der Vampire fahren müßten.
    »Du hast mich nicht verstanden«, sagte ich. »Dort kann ich nicht hin. Ich will nicht, daß die ändern mich sehen, nicht so. Du mußt den Wagen anhalten. Du mußt tun, was ich dir sage.«
    »Nein, du kriegst es zurück«, sagte er mit sanfter Stimme. Wir fuhren jetzt schon durch das Gedränge der Pariser Straßen. Die Stadt, an die ich mich erinnerte, war nirgends zu sehen. Das ganze war ein Alptraum, diese Metropole mit ihren kreischenden Dampfzügen und den breiten Betonboulevards. Noch nie hatte ich den Rauch und den Schmutz des industriellen Zeitalters als derart häßlich empfunden wie hier, in der Stadt des Lichts.
    Ich erinnere mich nur noch undeutlich daran, wie er mich aus dem Wagen zerrte und wie ich über das Pflaster stolperte und wie er mich zu den Türen des Theaters stieß. Was war das, dieses riesige Gebäude? War das der Boulevard du Temple? Und dann hinunter in diesen häßlichen Keller, der mit häßlichen Kopien der blutigsten Gemälde von Goya und Brueghel und Bosch vollgestopft war.
    Und schließlich der Hunger, als ich in einer mit Ziegelsteinen ausgekleideten Zelle am Boden lag, nicht einmal mehr fähig, ihm Flüche entgegenzuschleudern, und die Dunkelheit erfüllt von den Erschütterungen der vorbeifahrenden Omnibusse und Straßenbahnwagen, dem unaufhörlichen durchdringenden Kreischen der Eisenräder.
    Irgendwann entdeckte ich dort in der Dunkelheit einen Sterblichen, ein Opfer. Aber das Opfer war tot. Kaltes Blut, ekelerregendes Blut. Die schlimmste Art, sich zu ernähren, auf diesem feuchtkalten Leichnam zu liegen und herauszusaugen, was noch übrig war.
    Und dann kam Armand, stand bewegungslos im Schatten, makellos in weißes Leinen und schwarze Wolle gekleidet. Leise begann er von Louis und Claudia zu sprechen und daß es eine Untersuchung geben würde. Er kniete sich hin und setzte sich neben mich, vergaß für einen Augenblick, menschlich zu sein, dieser jugendliche Gentleman, der in diesem schmutzigen, feuchten Kellerraum saß. »Du wirst vor allen anderen erklären, daß sie es getan hat«, sagte er. Und die anderen, die neuen, kamen einer nach dem anderen an die Tür, um mich anzusehen.
    »Bringt ihm was zum Anziehen«, sagte Armand. Seine Hand lag auf meiner Schulter. »Er muß vorzeigbar sein, unser verlorener Herr«, sagte er zu ihnen. »So hat er es immer gehalten.«
    Sie lachten, als ich sie bat, mit Eleni und Felix und Laurent sprechen zu dürfen. Diese Namen kannten sie nicht. Gabrielle -bedeutete ihnen gar nichts.
    Und wo war Marius? Wie viele Länder, Flüsse, Berge lagen zwischen uns? Konnte er alles hören und sehen?
    Hoch oben, im Theater, trampelten die sterblichen Zuhörer, zusammengepfercht wie Schafe in einem Korral, auf die Holztreppen, die Holzböden.
    Ich träumte davon, von hier wegzugehen, zurück nach Louisiana, und die Zeit, die alle Wunden heilt, das ihre tun zu lassen. Ich träumte wieder von der Erde und ihren kühlen Tiefen, die ich in Kairo, nur so kurz, kennengelernt hatte. Ich träumte von Louis und Claudia und daß wir drei zusammenwären. Claudia war wunderbarerweise zu einer schönen Frau herangewachsen, und sie sagte lachend: »Siehst du, deshalb bin ich nach Europa gekommen, um herauszufinden, wie man es macht!«
    Und ich hatte Angst, daß man mich hier nie wieder herauslassen würde, daß ich hier begraben sein würde wie jene Hungernden unter Les Innocents, daß ich einen fatalen Fehler begangen hatte. Ich stotterte und weinte und wollte mit Armand reden. Aber dann merkte ich, daß Armand gar nicht da war. Wenn er gekommen war, dann war er genauso schnell wieder gegangen. Ich hatte Wahnvorstellungen.
    Und das Opfer, das warme Opfer- »Gib es mir, ich bitte dich!«-und Armand, der befahl: »Du wirst sagen, was ich dir gesagt habe.«
    Das Tribunal: ein Pöbel aus Monstern, Dämonen mit weißen Gesichtern, die Beschuldigungen herausschrien, Louis, der sie verzweifelt anflehte, Claudia, die mich wortlos anstarrte, und ich, der sagte, ja, sie war

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