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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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tiefer, an den Fenstern des Turms vorbei, bis zu dem steinernen Pfad, der mich auffing und mir unter meiner unnatürlich dünnen Haut jeden einzelnen Knochen in meinem Körper brach.

2
    Zwei Jahre vergingen, bis ich mich genügend erholt hatte, um an Bord eines Schiffes zu gehen und nach Louisiana zurückzukehren. Ich war noch immer ziemlich schwach und hatte am ganzen Körper Narben. Aber ich mußte Europa verlassen, wo ich nirgends eine Spur von meiner verschollenen Gabrielle oder dem großen mächtigen Marius gefunden hatte, der bestimmt schon sein Urteil über mich gefällt hatte.
    Ich mußte wieder nach Hause. Und mein Zuhause war New? Orleans, wo es warm war, wo die Blumen nie zu blühen aufhörten, wo mir noch immer, dank meines nie endenden Vorrats an Goldmünzen, ein Dutzend leerer alter Häuser mit vor sich hinrottenden weißen Säulen und durchhängenden Vordächern gehörte, in denen ich mich aufhalten konnte.
    Und so verbrachte ich die letzten Jahre des neunzehnten Jahrhunderts in völliger Abgeschiedenheit in dem alten Garden District, nur einen Häuserblock vom Lafayette-Friedhof entfernt, in dem schönsten meiner Häuser, das unter knorrigen alten Eichen vor sich hin dämmerte.
    Im Schein einer Kerze oder einer Öllampe las ich alle Bücher, die ich mir verschaffen konnte. Ich saß, genau wie Gabrielle in ihrem Schlafzimmer im Schloß, in der Falle, nur daß es hier keine Möbel gab.
    Die Bücherstöße reichten bis unter die Decke, in einem Zimmer nach dem anderen, wenn ich ins nächste umzog. Von Zeit zu Zeit raffte ich mich auf und brach in eine Bibliothek oder einen Buchladen ein, um mich mit neuen Büchern einzudecken, aber ansonsten ging ich immer weniger und weniger aus dem Haus. Ich bestellte mir Zeitschriften. Ich legte mir Vorräte von Kerzen und Flaschen und Ölkannen an.
    Wann das zwanzigste Jahrhundert begann, weiß ich nicht mehr, nur, daß alles noch häßlicher und düsterer wurde und daß die Schönheit des vorigen Jahrhunderts, an die ich mich zu erinnern glaubte, vielleicht nur meiner Phantasie entsprungen war. Die Bourgeoisie regierte die Welt, und mit ihren trübsinnigen Regeln und ihrem Argwohn bekämpften sie die Lust an Sinnlichkeit und Ausschweifungen, denen das alte Regime so ausgiebig gefrönt hatte.
    Mein Blick und meine Gedanken wurden immer trüber. Und die Jagd auf Menschen hatte ich völlig aufgegeben. Aber Vampire benötigen nun mal das menschliche Blut, den menschlichen Tod. Und so vegetierte ich dahin, indem ich mich an den Tieren aus den benachbarten Gärten schadlos hielt, den verweichlichten Hunden und Katzen, die ich anlockte. Und wenn ich sie nicht kriegen konnte, nun, dann gab es ja immer noch dieses Ungeziefer, diese fetten grauen Ratten mit den langen Schwänzen, die ich wie der Rattenfänger, herbeirufen konnte.
    Eines Nachts überwand ich mich und schleppte mich durch die leeren stillen Straßen bis zu dem schäbigen kleinen Theater Glückliche Stunde, das gleich bei den Slums dicht am Wasser lag. Ich wollte mir die neuen laufenden Bilder ansehen. Den Tageshimmel zu sehen, wenn auch nur in diesem unvollkommenen Stummfilm, versetzte mich in Angst und Schrecken. Aber wie es schien, paßten diese düsteren schwarzen und weißen Farbtöne ganz vorzüglich zu dieser farblosen Zeit.
    Ober irgendwelche andere Unsterbliche machte ich mir keine großen Gedanken. Aber ab und zu tauchte einer auf, ein Vampir - irgendein verwaister Sprößling, der über meine Lagerstätte gestolpert war, oder ein Reisender, auf der Suche nach dem legendären Lestat, der um Geheimnisse bettelte, und um Macht. Gräßlich, diese Belästigungen.
    Schon das Timbre einer übernatürlichen Stimme zerrte an meinen Nerven, daß ich mich in die entfernteste Ecke verkroch. Aber trotz aller Schmerzen, die es mir verursachte, forschte ich in den Erinnerungen aller, denen ich begegnete, nach einem Lebenszeichen von Gabrielle. Aber ich habe nie eins gefunden.
    Zum Glück gingen solche Begegnungen schnell vorbei. Erschrocken, beleidigt, fluchend machte sich der Eindringling bald wieder aus dem Staub, und ich hatte wieder meine köstliche Ruhe.
    Ich entfernte mich noch ein bißchen weiter weg von allem, wenn ich dort im Dunkeln lag. Auch das Lesen hatte ich inzwischen aufgegeben. Ich las höchstens noch das Black Mask Magazine. Ich las die Geschichten von den häßlichen nihilistischen Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts - den Gaunern im dunklen Anzug, den Bankräubern und den Detektiven -, und ich

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