Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
bezahlen hätten.
Aber das ist die Geschichte, die Louis in seinem Gespräch mit dem Vampir erzählt und die trotz all ihrer Widersprüchlichkeiten und schrecklichen Mißverständnisse sehr gut die Atmosphäre einfängt, in der Claudia und Louis und ich zusammenkamen und fünfundsechzig Jahre lang zusammenblieben.
Während dieser Zeit waren wir ohnegleichen unter unseren Artgenossen, ein in Samt und Seide gekleidetes tödliches Jägertrio, das in seinem Geheimnis und in dem blühenden New Orleans, das uns in Luxus hüllte und uns mit endlosen Opfern versorgte, im Glanz erstrahlte.
Und obwohl Louis es nicht wußte, als er seine Chronik niederschrieb, sind fünfundsechzig Jahre für jede Art der Bindung in unserer Welt eine außerordentlich lange Zeit.
Was die Lügen betrifft, die er erzählte, die Fehler, die ihm unterliefen, nun ja, ich sehe ihm seine blühende Phantasie, seine Verbitterung und seine Eitelkeit, die eigentlich nie besonders groß war, nach. Ich habe ihm von den Kräften, die ich besitze, nicht einmal die Hälfte verraten, und das aus gutem Grund, denn er hatte schon ein schlechtes Gewissen, wenn er nur die Hälfte seiner eigenen anwandte, und verfluchte sich selbst deswegen.
Sogar seine ungewöhnliche Schönheit und sein großer Charme waren für ihn selbst irgendwie ein Geheimnis. Wenn er in seinem Bericht erklärt, ich hätte ihn zum Vampir gemacht, weil ich seine Plantage begehrte, dann ist das, schätze ich, eher seiner Bescheidenheit zuzuschreiben als seiner Dummheit.
Daß er mich für einen Bauern hielt, nun, das war verständlich.
Schließlich war er ein scharfsinniges und gehemmtes Kind aus dem Bürgertum, das sich, wie alle Pflanzer der Kolonie, nichts mehr wünschte, als ein echter Aristokrat zu sein, auch wenn er noch nie einem begegnet war, und ich hatte eine lange Ahnenreihe, die aus Feudalherren bestand, die sich beim Essen die Finger abschleckten und die Knochen über ihre Schulter den Hunden vorwarfen.
Wenn er sagt, ich hätte mit unschuldigen Fremden herumgespielt, mich mit ihnen angefreundet und sie dann getötet, wie hätte er denn wissen sollen, daß ich fast ausschließlich Jagd unter den Glücksspielern, Dieben und Mördern machte und mein unausgesprochenes Versprechen, die Bösen zu töten, gründlicher einhielt, als ich selbst je zu hoffen gewagt hatte? (Der junge Freniére, zum Beispiel, ein Pflanzer, den Louis in seinem Text hoffnungslos romantisiert, war in Wirklichkeit ein übler Mörder und Falschspieler mit den Karten und gerade drauf und dran, mit der Plantage seiner Familie seine Spielschulden zu begleichen, als ich ihn niederstreckte. Und die Huren, an denen ich mich mal vor Louis’ Augen labte, nur um ihm eins auszuwischen, hatten in ihrem Leben schon so manchen Mann, der spurlos verschwunden war, vorher mit Drogen betäubt und ausgeraubt.)
Aber solche Kleinigkeiten zählen nicht. Er hat die Geschichte so erzählt, wie er sie geglaubt hat.
Und auf eine sehr reale Art ist Louis immer die Summe seiner Fehler gewesen, der betörendste menschliche Teufel, den ich je gekannt habe. Selbst für Marius wäre ein derart mitfühlendes und nachdenkliches Wesen unvorstellbar gewesen, ein Gentleman durch und durch, der Claudia sogar den richtigen Gebrauch von Tafelsilber beizubringen versuchte, du liebe Güte, wo sie und ihr kleines schwarzes Herz nun wirklich nicht den geringsten Bedarf an Messer und Gabel hatten.
Seine Blindheit gegenüber den Motiven oder den Leiden anderer machte genauso seinen Charme aus wie sein weiches ungekämmtes schwarzes Haar oder der ewig besorgte Ausdruck seiner grünen Augen.
Und warum sollte ich mir die Mühe machen zu erzählen, wie oft er in seiner schrecklichen Angst zu mir gekommen ist, mich beschworen hat, ihn nie zu verlassen, oder wie wir zusammen spazierengegangen sind und miteinander geredet haben, wie wir für Claudia Shakespeare gespielt haben oder Arm in Arm losgezogen sind, um in den Tavernen am Fluß auf Jagd zu gehen oder um mit den dunkelhäutigen Schönheiten auf den berühmten Terzeronbällen Walzer zu tanzen?
Was zwischen den Zeilen steht, ist wichtig.
Ich habe ihn verraten, als ich ihn schuf, darum geht es. Genauso wie ich Claudia verraten habe. Und ich verzeihe ihm den Unsinn, den er niederschrieb, weil es stimmt, was er über die unheimliche Zufriedenheit sagt, die er und Claudia und ich empfanden und zu der wir kein Recht hatten in jenen langen Dekaden des neunzehnten Jahrhunderts, in denen die Pfauenfarben des
Weitere Kostenlose Bücher