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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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während ich mit meinen Augen die dämmerigen Winkel des Raums abtastete, sah ich plötzlich ihn.
    Er trug nicht mehr seinen schwarzen Kapuzenmantel. Er hatte sich seitlich gegen den Fensterrahmen gelehnt, ein Knie an die Mauer gebeugt, das andere Spindelbein nach hinten gestreckt. Seine Arme hingen schlaff hinab.
    Er schien völlig leblos zu sein, dennoch war sein Gesicht so beredt wie vorige Nacht. Die riesigen schwarzen Augen betonten seine weißen, zerfurchten Züge, die lange, schmale Nase, das Lächeln des Possenreißers. Die Fangzähne berührten die farblosen Lippen, und das Haar fiel ihm leuchtend schwarz und silbern bis weit über die Schultern.
    Ich glaube, daß er lachte.
    Ich war mehr als erschrocken. Ich konnte nicht einmal aufschreien und ließ den Wein fallen. Die Flasche kullerte über den Boden. Und als ich mich betrunken und unbeholfen zu bücken versuchte, wurden seine dünnen, schlaksigen Glieder sofort lebendig.
    Er kam auf mich zu.
    Ich grunzte ihn wütend an, rappelte mich von meinem Bett hoch, stolperte über das Tischchen und rannte von ihm fort, so schnell ich konnte.
    Aber er bekam mich mit seinen langen, weißen Fingern zu fassen, die so stark und kalt waren.
    »Laß mich los! Scher dich zum Teufel, zum Teufel, zum Teufel!« Ich stotterte. Ich versuchte, um Gnade zu winseln. »Ich gehe einfach fort, bitte. Laß mich hier raus. Du mußt. Laß mich gehen.«
    Sein schauerliches Gesicht waberte über mir, die Lippen scharf in die weißen Wangen hochgezogen, und er brach in ein anhaltendes zügelloses Gelächter aus. Ich kämpfte vergeblich gegen ihn an, wand mich, bat wieder um Erbarmen, stammelte Unsinn und Entschuldigungen, und dann rief ich: »Gott, so hilf mir doch!« Und er legte mir seine monströse Hand auf den Mund.
    »Nichts von diesem Zeug in meiner Gegenwart, Wolfkiller, oder ich werde dir das Maul mit allen Höllenhunden stopfen«, sagte er höhnisch grinsend. »Hmmm? Antworte mir. Hmmmm?«
    Ich nickte, und er löste seinen Griff. Seine Stimme beruhigte mich einen Augenblick lang. Er schien vernünftigen Argumenten zugänglich, wenn er sprach. Er hörte sich beinahe kultiviert an.
    Er hob seine Hände und streichelte mir über den Kopf, als ich mich duckte.
    »Sonnenlicht im Haar«, flüsterte er, »und der blaue Himmel für alle Ewigkeit in deine Augen gesenkt.« Er sah fast nachdenklich aus. Sein Atem war völlig geruchlos, sein Körper ebenfalls. Der Modergeruch kam von seiner Kleidung.
    Obwohl er mich nicht mehr festhielt, wagte ich nicht, mich zu rühren. Statt dessen fixierte ich seine Gewandung. Ein zerschlissenes Seidenhemd mit weiten Ärmeln, Kammgarngamaschen und kurze, zerlumpte Beinkleider. Alles in allem war er wie jemand aus einem längst vergangenen Jahrhundert gekleidet. Ich hatte solche Mode auf den Gobelins zu Hause gesehen, auf den Gemälden von Caravaggio und La Tour, die die Zimmer meiner Mutter schmückten.
    »Du bist goldrichtig, mein Lelio, mein Wolfkiller«, sagte er, wobei sich sein Mund so weit öffnete, daß ich wieder die kleinen weißen Fangzähne sehen konnte. Sonst hatte er keine Zähne.
    Mir schauderte. Ich sank zu Boden. Er hob mich auf und legte mich sanft auf das Bett.
    Innerlich betete ich inbrünstig: ›Hilf mir, Gott, heilige Jungfrau Maria, hilf mir, hilf mir, hilf mir‹, während ich ihn nicht aus den Augen ließ.
    Und was sah ich? Was hatte ich letzte Nacht gesehen? Eine Maske hohen Alters, gezeichnet von den Spuren der Zeit und dennoch erstarrt. Er war kein Lebewesen. Er war ein Monster. Ein Vampir war er, ein blutsaugender, einem Grab entstiegener Leichnam, ausgestattet mit Geist und Verstand.
    Und warum erfüllte mich sein Äußeres mit Schrecken? Er sah aus wie ein Mensch, aber er bewegte sich nicht wie ein Mensch. Es schien ihm nichts auszumachen, ob er lief oder kroch, ob er sich vorbeugte oder hinkniete. Ich verabscheute ihn, und doch faszinierte er mich. Ich konnte nicht umhin zuzugeben, daß er mich faszinierte. Aber ich schwebte in zu großer Gefahr, um solch seltsamen Gefühlen nachzugeben.
    Spreizbeinig und aus vollem Halse lachend stand er da, über mich gebeugt, die Finger auf meiner Wange ruhend. »Jaaaaa, mein Lieber, ich bin kein schöner Anblick«, sagte er. »Ich war schon alt, als ich das wurde, was ich bin. Aber du bist goldrichtig, mein Lelio, mein blauäugiger Jüngling, schöner noch als auf der Bühne.«
    Die lange weiße Hand spielte wieder mit meinem Haar, fuhr durch die Strähnen, dann stöhnte er. »Nicht

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