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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mich klammerte, sackte allmählich neben mir zusammen. Sein Atem war nur noch ein Röcheln, aber er ließ mich gewähren.
    Ich liebe dich, wollte ich sagen, Magnus, mein unirdischer Meister, entsetzliches Geschöpf, das du bist, ich liebe dich, liebe dich, das ist es, was ich immer so begehrt habe und nie bekommen konnte, und du hast es mir gegeben!
    Ich spürte, daß ich sterben würde, wenn es so weiterginge, und es ging weiter, und ich bin nicht gestorben. Statt dessen fühlte ich plötzlich seine Hände liebevoll meine Schultern streicheln, und dann zwang er mich mit aller Kraft, von ihm abzulassen.
    Ich stieß einen klagenden Schrei aus. Er rührte mich zum Fenster, ich stützte meine Hände in den steinernen Rahmen und blickte hinaus. Ich lehnte die Stirn an das Eisengitter.
    Weit unter mir ragte eine dunkle Hügelkuppe auf, von Bäumen überwuchert, die im fahlen Sternenlicht schimmerten. Und weiter weg lag das Lichtergestrüpp der Stadt in einem weichen, violetten Nebel. Der Schnee schmolz und schien zu glühen. Dächer, Türme, Mauern, alles flirrende, pastellfarbene Kristalle.
    Da vor mir breitete sich Metropolis aus. Und als ich schärfer hinsah, erblickte ich eine Million Fenster wie aufgefächerte Strahlenbündel, und mehr noch, in den Schluchten der Stadt machte ich das Gewimmel der Menschen aus. Winzige Sterbliche in winzigen Gassen, unzählige Seelen wie Mosaiksteinchen auf dem Mantel der Nacht ausgelegt, und die Luft war erfüllt vom dünnen Gesumm menschlicher Stimmen. Schreie, Lieder, verwehte Melodiefetzen, entfernte Glockenschläge.
    Ich stöhnte auf. Eine Brise umschmeichelte mein Haar. Die Stadt verblaßte, und ihre Menschen lösten sich auf im wundersamen Spiel der violetten Schatten und des schwindenden Lichts.
    »Was hast du getan, was hast du mir da geschenkt?« flüsterte ich. Und es war, als ob ich gar nicht mehr aufhören konnte zu fragen und zu staunen, bis meine Worte zu einem einzigen Aufschrei zusammenflossen, in dem all mein Entsetzen und all mein Glück ihren Ausdruck gefunden zu haben schienen.
    Falls es einen Gott gab, hatte das jetzt keine Bedeutung mehr. Er gehörte einem öden und trostlosen Reich an, dessen Geheimnisse und dessen Licht längst versiegt waren. Dies hier war der vibrierende Mittelpunkt des wahren Lebens in seiner ganzen Vielfalt. Und welch herrliches Gefühl, dabeizusein!
    Ich hörte, wie hinter mir das Monster nahte, und drehte mich um. Magnus war bleich und blutleer und sah aus wie eine bloße Hülle seiner selbst. In seinen Augen standen blutrote Tränen, und er streckte mir schmerzlich flehend die Arme entgegen.
    Ich zog ihn an meine Brust. Ich liebte ihn inbrünstiger, als ich je jemanden zu lieben vermocht hatte.
    »Weißt du es noch immer nicht?« röchelte er mühselig. »Du bist mein Erbe, auserwählt, das Geschenk der Finsternis von mir entgegenzunehmen. Du wirst ein wahres Kind der Finsternis werden.«
    Ich küßte seine Lider. Ich ließ sein weiches, schwarzes Haar durch meine Finger gleiten. Für mich war er jetzt kein furchteinflößendes Geschöpf mehr. Seine eingefallenen Wangen, sein langer Hals, seine dünnen Beine… das war sein ganz natürliches Äußeres.
    »Nein, Grünschnabel«, seufzte er. »Hebe dir deine Küsse für die Welt auf. Meine Stunde hat geschlagen, und du schuldest mir nur noch einen einzigen Dank. Folge mir.«

3
    Er zog mich eine Wendeltreppe hinunter. Gierig nahm ich alles auf, was sich meinen Blicken darbot. Die grobbehauenen Steine schienen ihr eigenes Licht auszustrahlen, und sogar die Ratten, die durch die Dunkelheit schössen, waren von seltsamer Schönheit.
    Dann schloß er eine schwere eisenbeschlagene Holztür auf, und indem er mir seinen mächtigen Schlüsselring überreichte, führte er mich in einen großen, kahlen Raum. »Du bist jetzt mein Erbe, wie du weißt«, sagte er. »Du wirst dieses Haus und all meine Schätze übernehmen. Aber erst mußt du dich noch meinen Anweisungen fügen.«
    Die vergitterten Fenster gewährten einen grenzenlosen Blick auf die mondbeschienenen Wolken, und wieder sah ich die flimmernde Stadt, die ihre Arme auszubreiten schien.
    »Später kannst du zur Genüge von all jenen trinken, die du jetzt siehst«, sagte Magnus. Er packte mich, drehte mich zu sich um, und ich sah, daß er vor einem riesigen Holzhaufen stand, der auf dem Fußboden aufgeschichtet war.
    »Hör mir gut zu«, sagte er, »da ich dich bald verlassen werde.« Er deutete auf das Holz. »Und da sind noch ein paar

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