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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Laß mich nicht im Stich. Ich bin an der Hexen Stelle. Ich bin auf dem Hexenplatz. Laß mich nicht tiefer fallen, als ich in dieser Nacht schon gefallen bin. Laß es nicht geschehen… Lestat, erwache.
    Aber dann mußte ich wieder an die Worte des Magnus denken; sie gingen mir nicht aus dem Sinn: Die Hölle finden, falls es eine Hölle gibt… Wenn es einen Fürsten der Finsternis gibt …
    Schließlich rappelte ich mich auf die Knie und Hände hoch. Mir war schwindlig. Ich betrachtete das Feuer und sah, daß ich es wieder entfachen und mich hineinstürzen könnte. Aber als ich wirklich darüber nachdachte, begriff ich, daß ich das nicht ernstlich wollte.
    Warum sollte ich derlei auch tun? Was hatte ich schon angerichtet, um das Schicksal der Hexen erleiden zu müssen? Ich wollte keinen Augenblick lang in der Hölle sein. Und in Dreiteufelsnamen, ich hatte keine Lust, dort einzuziehen, um dem Fürsten der Finsternis ins Gesicht zu spucken.
    Im Gegenteil, wenn ich verdammt war, dann sollte sich dieser Scheißkerl gefälligst um mich kümmern und mir sagen, warum es mir bestimmt war, so zu leiden. Das hätte ich echt gern gewußt.
    Und was die Vergebung anbetraf, nun ja, das hatte schließlich noch ein wenig Zeit… oder?
    Eine ungewohnte Ruhe bemächtigte sich meiner. Ich war düster und verbitten und doch betörend selbstbewußt. Ich hatte mein Menschsein abgelegt.
    Und während ich so nachdenklich am Boden kauerte und in die verglühende Asche starrte, ballte sich in mir eine enorme Kraft. Mein kindisches Geschluchze versiegte nach und nach. Und ich wandte meine Aufmerksamkeit erneut meiner weißen Haut zu, meinen beiden scharfen, bösen Zähnen und meinen Fingernägeln, die in der Dunkelheit phosphoreszierten.
    Und ich stellte mit Befriedigung fest, daß all die kleinen, wohlvertrauten Schmerzen aus meinem Körper gewichen waren.
    Die Zeit verging - und sie verging auch wieder nicht. Der leise Luftzug, der durch den Raum wehte, liebkoste meine Haut, Und wenn die Kirchenglocken von fern die Stunde schlugen, zeigten sie mir nicht die flüchtige Zeit der Sterblichen an. Für mich war das reinste Musik, der ich auf dem Rücken liegend lauschte, während ich dem Zug der Wolken nachblickte.
    Doch dann begann sich in meiner Brust ein neuer, zutiefst brennender und lebhafter Schmerz bemerkbar zu machen. Er floß durch meine Adern und schien sich in meinem Magen und Gedärm zu sammeln. Ich hatte keine Angst vor diesem Schmerz, vielmehr fühlte ich ihn, als würde ich ihm zuhören.
    Ich legte meinen Kopf zur Seite und blickte an mir herab. Nun konnte ich sehen, was den Schmerz verursachte. Meine Ausscheidungen entströmten mir wie ein kleiner Bach, ohne daß ich dagegen etwas hätte unternehmen können. Ich sah zu, wie die Bescherung meine Kleider verschmutzte und empfand dabei nicht den geringsten Ekel. Dann krochen Ratten herbei und näherten sich lautlos dem Unrat, und selbst das verursachte mir keinen Ekel. Es berührte mich auch nicht, als sie über mich kletterten, um die Ausscheidungen zu fressen. Ja, ich konnte mir beim besten Willen nichts vorstellen, das mir Übelkeit verursacht hätte, nicht einmal die glitschigen Insekten im Grab, die mir bald über Gesicht und Hände kriechen würden.
    Ich gehörte nicht zu jener Welt, die vor derlei erschauderte. Und ich mußte lächeln, als mir bewußt wurde, daß ich die Seite gewechselt hatte - ich gehörte zu den Dingen, die erschaudern machten. Der
    Gedanke bereitete mir solches Vergnügen, daß ich in Gelächter ausbrach.
    Und doch war da noch ein Rest Trauer, den ich nicht zu bezwingen vermochte, die flüchtige und gleichwohl nur zu begründete Ahnung des Verderbens, das mich ergriffen hatte: Ich war tot und ein Vampir. Und andere würden sterben, um mich am Leben zu erhalten; ich würde ihr Blut trinken, um leben zu können. Und ich würde nie wieder Nicolas sehen oder meine Mutter oder sonst einen Menschen, den ich gekannt und geliebt hatte. Ich würde Blut trinken. Und ich würde ewig leben.
    Ich rappelte mich hoch. Ich fühlte mich unbeschwert und stark und auf seltsame Weise betäubt. Ich ging zu dem erloschenen Feuer und stapfte durch die verbrannten Scheite.
    Knochen waren keine da. Es war, als hätte sich Magnus in nichts aufgelöst. Und wie er es mir befohlen hatte, nahm ich alle vorhandene Asche und trug sie nach und nach in meinen Händen zum Fenster. Und als der Wind sie davontrug, flüsterte ich Magnus ein Lebewohl hinterher und hätte gerne gewußt, ob er

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