Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Dinge, die du wissen mußt. Du bist jetzt unsterblich. Und ganz von selbst wirst du bald dein erstes menschliches Opfer finden. Schlage schnell zu und zeige keine Gnade. Aber brich selbst den köstlichsten Festschmaus ab, ehe das Herz des Opfers zu schlagen aufhört. In ein paar Jahren wirst du genau wissen, wann dieser erhabene Augenblick erreicht ist, aber bis dahin laß Vorsicht walten, wenn du nicht bitter für deinen Leichtsinn büßen willst.«
»Aber warum verläßt du mich?« fragte ich verzweifelt. Ich klammerte mich an ihn. Opfer, Gnade, Schmaus… Mir kamen diese Worte wie eine Tracht Prügel vor.
Er entwand sich meiner Umarmung und zeigte auf die Steine der gegenüberliegenden Wand. Einer der größten Quader ragte fast einen halben Meter aus der Wand heraus.
»Ergreife diesen Stein«, sagte er, »und ziehe ihn heraus.«
»Aber das ist unmöglich«, sagte ich. »Der wiegt mindestens…«
»Zieh ihn raus!« Er wies mit einem seiner langen, knochigen Finger auf die Wand und blickte so streng, daß ich seinem Befehl Folge zu leisten versuchte. Zu meiner Überraschung ließ sich der Stein mühelos entfernen, und dahinter war eine Öffnung, gerade groß genug, um durchzurobben.
Magnus ließ ein schnarrendes Lachen hören und nickte. »Hier, mein Sohn, ist der Gang, der zu meinem Schatz führt«, sagte er.
» Verfahre mit meinen irdischen Besitztümern, wie es dir beliebt. Aber jetzt ist es Zeit, daß du mir meinen letzten Wunsch erfüllst.«
Erbrach zwei Zweige aus dem Holzbauten und rieb sie mit solcher Vehemenz aneinander, daß sie bald lodernd Feuer fingen. Dann warf er die brennenden Zweige auf das Holz, das sofort in Flammen stand und Deckengewölbe und Steinwände in loderndes Licht tauchte.
Ich prallte zurück. Dieser flackernde Tumult aus Gelb und Orange erfüllte mich gleichermaßen mit Furcht und Entzücken, und obgleich ich die Hitze hautnah spürte, löste sie doch ein ungeahntes Wohlempfinden aus. Keine Spur einer natürlichen Angst zu verbrennen. Statt dessen hatte das gleißende Feuer eine äußerst angenehme Wirkung, und mir wurde erst jetzt bewußt, wie kalt mir war. Ich war von einer Eisschicht überzogen, die in der Hitze schmolz.
Magnus stieß wieder sein hohles, keuchendes Gelächter aus und fing an in dem Flackerlicht zu tanzen; ein tanzendes Skelett mit einem weißen Menschgesicht. Die Arme über den Kopf gekrümmt, den Rücken und die dünnen Beine gekrümmt, drehte er Runde um Runde um das Feuer.
»Mon Dieu!« flüsterte ich. Ich taumelte. Noch vor einer Stunde hätte mich dieser Anblick mit nacktem Entsetzen erfüllt, aber nun war ich von diesem Schauspiel so hingerissen, daß ich nicht umhin konnte, ihm Schritt für Schritt zu folgen. Das Licht vollführte ein wahres Feuerwerk auf seinen Satinlumpen, seinen Beinkleidern, seinem zerfetzten Hemd.
»Aber du darfst mich nicht verlassen!« flehte ich und versuchte, meine Gedanken zu ordnen, versuchte, mir seiner Worte klarzuwerden. Meine Stimme hallte mir schauerlich in den Ohren. Ich bemühte mich, ihr einen tieferen, weicheren Klang zu verleihen. »Wo gehst du hin?«
Darauf lachte Magnus so laut wie noch nie. Er klopfte sich auf die Schenkel und tanzte fort von mir, streckte seine Arme dem Feuer entgegen.
Schon loderten auch die dicksten Scheite. Der Raum, so groß er war, glich einem Schmelzwerk, dicke Rauchschwaden quollen aus den Fenstern.
»Nicht ins Feuer!« Ich stob zurück, warf mich flach gegen die Wand. »Du darfst nicht ins Feuer gehen!« Angst übermannte mich.
»O doch, ich darf«, lachte er. »O doch, ich darf!« Er warf seinen Kopf zurück und ließ sein Lachen in Geheul münden. »Aber für dich, Grünschnabel«, sagte er und hielt vor mir inne, den Zeigefinger auf mich gerichtet, »für dich ist es Zeit, mir einen letzten Dankesdienst zu erweisen. Komm schon, besinn dich ein bißchen auf die alte Ehre der Sterblichen, oder ich muß dich, auch wenn mir darüber das Herz zerspringt, ins Feuer werfen und mir einen anderen Nachkommen erwählen. Antworte mir!«
Ich brachte kein Wort hervor. Ich nickte. Im tobenden Schein des Feuers sah ich, daß meine Hände weiß geworden waren. Und ein stechender Schmerz durchfuhr meine Unterlippe: Meine Eckzähne hatten sich bereits in Fangzähne verwandelt! Ich starrte ihn erschrocken an, aber er schien mein Entsetzen zu genießen.
»Nun, wenn ich verbrannt bin«, sagte er und umklammerte mein Handgelenk, »und das Feuer verloschen ist, mußt du meine Asche verstreuen.
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