Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
an, gemeinsam zu singen und zu spielen. Bald war das Studio vom Geruch ihres Blutes und von unserer tosenden Musik durchtränkt.
Aber dann passierte etwas, das mir selbst in meinen übelsten Träumen nicht untergekommen war - etwas, das so außergewöhnlich war wie vorhin mein kleines Geständnis diesen Typen gegenüber. Etwas so Überwältigendes, daß es mich um ein Haar aus ihrer Welt und schnurstracks zurück in meine Erdgruft gejagt hätte.
Nicht daß ich dann wieder in einen neuerlichen Tiefschlaf versunken wäre, aber ich hätte die Satans Night Out möglicherweise verlassen, um ein paar Jahre stumpfsinnig zu verdösen.
Alex, dem adretten Schlagzeuger, und Larry, seinem blonden, hochgewachsenen Bruder, kam nämlich mein Name nicht unbekannt vor, als ich ihnen erzählte, ich sei der Vampir Lestat. Er kam ihnen nicht nur vertraut vor, sie erinnerten sich sogar, ein Buch gelesen zu haben, in dem allerlei über mich gestanden hätte.
Sie waren vor Freude ganz aus dem Häuschen, daß ich nicht bloß vorgab, irgendein Vampir zu sein. Oder Graf Dracula. Graf Dracula hing den Leuten allmählich zum Hals raus. Sie freuten sich wie die Schneekönige, daß ich vorgab, der Vampir Lestat zu sein.
»Daß ich vorgebe, der Vampir Lestat zu sein?« fragte ich.
Sie lachten über meine Aufgebrachtheit, über meinen französischen Akzent. Für einen Augenblick sah ich sie eindringlich an und versuchte, ihre Gedanken zu lesen. Natürlich hatte ich nicht erwartet, daß sie mir glaubten, ein echter Vampir zu sein. Auch machte der Umstand, daß sie eine Romanfigur mit meinem ungewöhnlichen Namen kannten, die Sache nicht einfacher. Am schlimmsten aber war, daß mein ganzes Selbstvertrauen dahinzuschwinden begann, und wenn das passiert, gehe ich regelmäßig meiner übernatürlichen Kräfte verlustig. Der Speicherraum schien noch kleiner zu werden, und die Musikinstrumente, die Antenne, die Kabel hatten etwas Bedrohliches.
»Zeigt mir dieses Buch«, sagte ich.
Sie holten es aus dem Nebenzimmer: ein kleiner, zerfledderter Schundroman. Der Schutzumschlag fehlte, der Einband war lose, und das Ganze wurde von einem Gummiband zusammengehalten.
Mir lief es kalt über den Rücken, als ich den Titel las: Gespräch mit dem Vampir. Es schien irgend etwas über einen sterblichen Jungen zu sein, dem ein Untoter seine Geschichte erzählt, und mit ihrer Erlaubnis begab ich mich ins Nebenzimmer, legte mich auf ihr Bett und fing an zu lesen. Als ich halb durch war, verließ ich das Haus und stellte mich reglos unter eine Straßenlaterne, wo ich das Buch zu Ende las. Dann steckte ich es sorgfältig in meine Brusttasche.
Sieben Nächte lang ließ ich mich bei der Band nicht mehr blicken.
Während dieser Zeit habe ich mich von neuem viel herumgetrieben, bin auf meiner Harley-Davidson durch die Nacht geknattert, Bachs Goldberg Variationen auf volle Pulle gedreht. Und ich fragte mich, Lestat, was willst du jetzt tun?
Die übrige Zeit las ich die dicksten Wälzer über die Geschichte der Rockmusik und ihre Stars. Ich hörte mir sämtliche verfügbaren Platten an und ließ die Videos auf mich wirken.
Und wenn des Nachts alles ruhig und wie ausgestorben war, dann hörte ich sie wieder, die Stimmen des Gesprächs mit dem Vampir wie Stimmen aus einem Grab. Ich las das Buch wieder und wieder. Und dann packte mich eine unbeschreibliche Wut, und ich zerfetzte es in tausend Stücke.
Schließlich traf ich eine Entscheidung.
Ich traf mich mit meiner jungen, hübschen Anwältin Christine in deren Hochhausbüro. Die Räume wurden lediglich durch das Lichtermeer der umliegenden Wolkenkratzer erleuchtet.
»Es genügt nicht mehr, daß meine kleine Rockband erfolgreich ist«, sagte ich ihr. »Wir müssen so berühmt werden, daß mein Name und meine Stimme noch in die hintersten Winkel der Erde getragen werden.«
Ruhig und bedächtig, wie Juristen nun einmal sind, riet sie mir davon ab, mein ganzes Vermögen aufs Spiel zu setzen. Als ich aber mit geradezu manischer Besessenheit fortfuhr, meinen Plan zu entwickeln, konnte ich deutlich spüren, wie sie der Versuchung nicht länger widerstehen konnte, wie ihr gesunder Menschenverstand allmählich den Bach hinunterging.
»Ich will die besten französischen Regisseure für die Videoclips«, sagte ich. »Sie müssen sie nach New York und Los Angeles locken. Geld spielt keine Rolle. Hier gibt es die idealen Studios und jede Menge Toningenieure - und auch da dürfen Sie nur die allerbesten anheuern. Mir ist ganz
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