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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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schnell jetzt!« Sie nickte mir aufmunternd zu, kam näher und zerrte an meiner Hand. »Sieh dich mal im Spiegel an«, flüsterte sie.
    Aber ich wußte schon Bescheid. Ich hatte ihr mehr Blut gegeben, als ich von ihr genommen hatte. Ich hatte brüllenden Hunger, zumal ich nichts getrunken hatte, ehe ich sie besuchte.
    Aber ich war so sehr von der Erinnerung an den leise rieselnden Schnee und das Lied gefangengenommen, daß ich nicht gleich antwortete. Ich sah, wie ihre Finger mich berührten und daß unser Fleisch von gleicher Beschaffenheit war. Ich erhob mich aus dem Sessel und nahm sie bei den Händen. Es war vollbracht, und ich lebte noch! Jetzt war sie bei mir! Sie hatte ihre schreckliche Einsamkeit überstanden, und sie war bei mir, und plötzlich war ich von dem Verlangen überwältigt, sie zu umarmen, sie an mich zu drücken, sie nie mehr fortzulassen.
    Ich hob sie hoch. Ich hielt sie in meinen Armen, und wir drehten uns im Kreise. Sie warf ihren Kopf zurück und stimmte ein Gelächter an, das immer lauter wurde, bis ich ihr den Mund zudrückte.
    »Mit deiner Stimme wirst du noch alles Glas im Zimmer zerbrechen«, flüsterte ich. Ich warf einen Blick zur Tür. Nicki und Roget waren da draußen.
    »Dann laß es mich zerbrechen!« sagte sie und meinte es offenbar ernst. Ich ließ sie zurück auf den Boden gleiten. Dann haben wir uns, glaube ich, immer wieder umarmt. So albern es war, ich konnte nicht anders.
    Draußen waren unruhige Schritte zu hören; der Arzt und die Krankenschwester wahrscheinlich, die wohl gerne wieder einmal nach dem Rechten gesehen hätten.
    Auch Gabrielle hörte sie und blickte zur Tür.
    Sie löste sich aus meiner Umklammerung und musterte alle Gegenstände im Zimmer. Sie stellte die Kerzen vor dem Spiegel auf und betrachtete ihr Gesicht.
    Ich wußte, was in ihr vorging. Sie brauchte Zeit, um sich an ihr neues Aussehen zu gewöhnen. Aber wir mußten von hier verschwinden.
    Durch die Wand konnte ich Nicki hören, der den Arzt drängte, an die Tür zu klopfen.
    Wie konnte ich Gabrielle bloß von hier fortschaffen und die anderen loswerden?
    »Nein, nicht dort durch«, sagte sie, als sie mich in Richtung Tür blicken sah.
    Sie nahm das Bett, die Gegenstände auf dem Tisch in Augenschein. Sie ging zum Bett und holte ihren Schmuck unter dem Kopfkissen hervor. Sie betrachtete ihn und steckte ihn wieder in ihre zerschlissene Samthandtasche. Dann befestigte sie die Tasche an ihrem Rock, so daß sie in den Falten versank.
    Diesen kleinen Gebärden haftete etwas Bedeutsames an. Obwohl ich ihre Gedanken nicht lesen konnte, wußte ich, daß sie sonst nichts mitnehmen wollte. Sie trennte sich von ihren Sachen, den Kleidern, die sie mitgebracht hatte, ihrem alten Silberkamm und der Haarbürste und den zerlesenen Büchern auf dem Nachttisch.
    Es klopfte.
    »Warum nicht hier durch?« fragte sie und öffnete das Fenster. Der Wind blähte die golddurchwirkten Vorhänge und wehte ihr Haar empor, und als sie sich umdrehte, erschauderte ich bei ihrem Anblick, ihr Haar wild verheddert, ihre Augen geweitet und von unendlich vielen Farben und fast tragischem Licht durchflutet. Sie fürchtete sich vor nichts.
    Ich hielt sie fest und kuschelte mein Gesicht in ihr Haar, und wieder konnte ich nur noch daran denken, daß wir zusammen waren und daß uns nichts mehr würde trennen können. Ich konnte mir ihr Schweigen nicht erklären, die Tatsache, daß ich sie nicht hören konnte, aber ich wußte, daß das nicht in ihrer Absicht lag, und vielleicht würde sich das ja auch wieder ändern. Sie war bei mir. Das war die Welt. Der Tod war mein Herr, und ich bescherte ihm tausend Opfer, aber ich hatte ihm sein Vorrecht entrissen. Ich sprach es laut aus. Ich sagte noch mehr unsinniges Zeug. Wir waren die gleichen schrecklichen und tödlichen Geschöpfe, wir zwei, wir lustwandelten | im Wilden Garten, und ich versuchte, ihr die Bedeutung des Wilden Gartens bildreich zu erklären, aber falls sie nichts verstand, war es auch egal.
    »Der Wilde Garten«, wiederholte sie ehrfurchtsvoll und lächelte sanft.
    Sie küßte mich und flüsterte mir etwas zu, das wie die Begleitmusik zu ihren Gedanken klang. »Jetzt komm, hilf mir hier raus, ich möchte dir dabei zusehen, jetzt; wir haben noch die ganze Ewigkeit, um uns zu umarmen. Los!«
    Durst. Ich verlangte eindeutig nach Blut, und ihr ging es nicht viel anders. Wieder klopfte es. Und die Tür war nicht abgesperrt.
    Ich stieg auf die Fensterbank und reichte ihr die Hand, und sofort

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