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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mir klar, daß es sich diesmal bösartiger als früher verhalten hatte. Ich wollte aus dem Bannkreis von Les Innocents verschwinden. »Es lebt auf Friedhöfen«, murmelte ich. »Es kann wohl nicht woanders leben … in absehbarer Zeit.«
    Aber noch ehe ich zu Ende gesprochen hatte, spürte ich die Anwesenheit wieder, und nie zuvor hatte sie ein solches Maß an Feindseligkeit ausgesondert.
    »Sie lacht!« flüsterte Gabrielle.
    Ich beobachtete sie. Kein Zweifel, sie konnte sie viel deutlicher als ich hören. »Fordere sie heraus!« sagte ich. »Schimpf sie einen Feigling! Sag ihr, sie soll sich zeigen!«
    Sie warf mir einen erstaunten Blick zu.
    »Ist das wirklich dein Ernst?« keuchte sie. Sie zitterte ein wenig, und ich stützte sie.
    »Dann eben nicht«, sagte ich. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wir werden sie wieder hören, gerade wenn wir dabei sind, sie ganz und gar zu vergessen.«
    »Sie ist fort«, sagte sie. »Aber es haßt uns, dieses Ding…«
    »Laß uns von hier verschwinden«, sagte ich verächtlich, schlang meinen Arm um sie und jagte mit ihr davon.
    Ich verriet ihr nicht, woran ich dachte, was weit schwerer auf mir lastete als die Anwesenheit mit ihren üblichen Tricks. Wenn sie die Anwesenheit so gut oder gar besser als ich hören konnte, dann verfügte sie über die gleichen Fähigkeiten wie ich, vermochte also auch Gedanken und bildliche Vorstellungen zu empfangen und zu senden. Aber noch immer konnten wir uns nicht gegenseitig hören!

3
    Kaum hatten wir den Fluß überquert, fand ich auch schon ein Opfer. Und kaum hatte ich den Mann erspäht, durchflutete mich das wohlige Gefühl, daß ich alles, was ich bislang allein gemacht hatte, nun mit ihr zusammen machen würde. Sie würde mir jetzt lernbegierig zusehen. Der Gedanke, so intim mit ihr zu sein, ließ mich fast erröten.
    Und als ich das Opfer aus der Taverne lockte, als ich Schabernack mit ihm trieb, es wütend machte und mir dann krallte, wußte ich wohl, daß ich eine Schau für sie abzog, alles etwas grausamer und verspielter gestaltete. Und als ich ihn zur Strecke gebracht hatte, war ich völlig erschöpft.
    Sie war begeistert. Sie sog mit ihren Augen alles so begierig auf, wie sie das Blut aufgesogen hatte. Wir waren wieder beisammen, und ich nahm sie in meine Arme, und ich spürte ihre Erregtheit und sie die meine. Und wir hielten einander fest, zwei glühende Statuen in der Finsternis.
    Danach schien die Zeit aufgehoben zu sein. Die Nacht war eine der längsten, die ich als Unsterblicher durchgemacht habe. Sie war endlos und unergründlich und schwindelerregend, und zuweilen hätte ich mir einen Schutzschild gegen all die Vergnügungen und Überraschungen gewünscht, aber ich hatte keinen. Und obwohl ich immer wieder ihren Namen aussprach, um mich an ihn zu gewöhnen, war sie noch nicht wirklich Gabrielle für mich. Sie war einfach sie, sie, die ich immer mit jeder Faser meines Daseins gebraucht hatte. Die einzige Frau, die ich jemals geliebt hatte.
    Ihr eigentliches Sterben dauerte nicht lange. Wir suchten uns einen leeren Kellerraum, in dem wir blieben, bis alles vorbei war. Ich hielt sie in meinen Armen und sprach mit ihr, während das Unvermeidliche sich vollzog. Ich erzählte ihr noch einmal alles, was mir widerfahren war. Und ich erzählte ihr von dem Verdacht, den Nicki geschöpft und ihr gegenüber natürlich nicht erwähnt hatte. Und ich erklärte, daß ich besorgter denn je um ihn sei. Schon wieder ein offenes Fenster, schon wieder ein leeres Zimmer, und diesmal Zeugen, die die eigenartigen Vorkommnisse bestätigen konnten.
    Aber keine Sorge, ich würde Roget schon eine plausible Geschichte auftischen. Ich würde Mittel und Wege finden, die Kette der Verdächtigungen zu sprengen, die Nicki an mich band.
    Das alles schien sie zwar zu faszinieren, aber im Grunde war es ihr ziemlich einerlei. Ihr kam es auf die Zukunft an. Und nachdem sie ihr Sterben beendet hatte, war sie nicht mehr zu bremsen. Es gab keine Mauer, die sie nicht erklimmen konnte, keine Tür, durch die sie nicht gehen wollte, kein Dach, das zu steil für sie gewesen wäre.
    Es war, als wollte sie nicht glauben, daß sie nun ewig leben würde; als ob sie fürchtete, nur diese eine Nacht übernatürlicher Vitalität zur Verfügung zu haben, und meinte, vor ihrem endgültigen Ableben im Morgengrauen alles ausgekostet haben zu müssen.
    Immer wieder versuchte ich sie zu überreden, nach Hause zum Turm zu gehen. Nach einigen Stunden bemächtigte sich meiner

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