Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
denken, daß ich gestorben bin«, sagte sie. »Daß ich von allen Lebewesen vollständig abgeschnitten bin. Ich kann schmecken, ich kann sehen, ich kann fühlen. Ich kann Blut trinken. Aber ich bin wie etwas, das man nicht sehen kann, das keine Zuneigung zeigen kann.«
    »Das stimmt nicht«, sagte ich. »Und wie lange meinst du, kannst du’s ertragen, bloß zu fühlen und sehen und schmecken, wenn da die Liebe nicht ist? Und ohne daß jemand bei dir ist?« Der gleiche verständnislose Gesichtsausdruck. »Ach, warum erzähl’ ich dir das überhaupt?« sagte ich. »Ich bin bei dir. Wir sind zusammen. Du weißt nicht, wie das war, allein zu sein. Du kannst dir das nicht denken.«
    »Ich quäle dich, ohne es zu wollen«, sagte sie. »Erzähl ihnen, was du willst. Vielleicht kannst du ja eine glaubwürdige Geschichte zusammenbrauen. Ich weiß es nicht. Wenn du willst, daß ich dich begleite, komme ich mit. Ich mache, was immer du verlangst. Aber ich habe noch eine Frage.« Sie senkte ihre Stimme. »Du willst sie doch nicht an unseren Geheimnissen, an unserer Macht, teilhaben lassen!?«
    »Nein, niemals.« Ich schüttelte den Kopf, als wollte ich diesen unglaublichen Gedanken verscheuchen. Ich ließ den Blick über die Juwelen schweifen und dachte an all die Geschenke, die ich verschickt hatte, dachte an die Puppenstube. Ich hatte ihnen eine Puppenstube geschickt. Ich dachte an Renauds Schauspieler auf der anderen Seite des Kanals.
    »Nicht einmal Nicolas?«
    »Nein, gütiger Gott, nein!« Ich sah sie an.
    Sie nickte zustimmend. Und wieder fuhr sie sich wie abwesend durchs Haar. »Warum nicht Nicolas?« fragte sie.
    Ich hatte keine Lust mehr, dieses Gespräch fortzusetzen.
    »Weil er jung ist«, sagte ich, »und weil er sein Leben noch vor sich hat. Er steht nicht an der Schwelle des Todes.« Ich fühlte mich jetzt mehr als unbehaglich. Mir war elend zumute.
    »Vielleicht stirbt er schon morgen«, sagte sie. »Vielleicht wird er von einer Kutsche überfahren… «
    »Möchtest du, daß ich ihn zum Dritten im Bunde mache?« Ich starrte sie wütend an.
    »Nein, das nicht. Aber ich kann dir keine Vorschriften machen. Ich versuche dich zu verstehen.«
    Ihr langes, schweres Haar reichte ihr wieder über die Schultern, und sie griff es entsetzt mit beiden Händen. Dann gab sie plötzlich einen zischenden Laut von sich, und ihr Körper erstarrte. Sie hielt ihre wuchernde Lockenpracht umklammert und starrte sie an. »Mein Gott«, flüsterte sie. Dann ließ sie ihr Haar los und bekam einen Schreikrampf.
    Ich war wie gelähmt. Ihre Stimme drang mir wie ein schmerzender Blitzstrahl in den Kopf. Ich hatte sie noch nie schreien gehört. Und sie schrie wie am Spieß. Sie war gegen das Fenster getaumelt und schrie noch lauter, als sie ihr Haar ansah. Sie berührte es, doch dann zuckten ihre Finger wie von einer glühenden Ofenplatte zurück. Und dann warf sie sich schreiend hin und her, als versuche sie, ihrem eigenen Haar zu entfliehen.
    »Hör auf!« rief ich. Ich packte sie an den Schultern und schüttelte sie. Sie keuchte. Ich wußte sofort, was geschehen war. Während sie geschlafen hatte, war ihr Haar wieder zu voller Länge gewachsen. Es war üppiger denn je. Das also hatte mit ihrem Aussehen nicht gestimmt; ich hatte es bemerkt und auch nicht bemerkt! Und sie selbst war erst eben darauf aufmerksam geworden.
    »Hör auf, hör endlich auf!« rief ich noch lauter, während ihr Körper so heftig zuckte, daß ich sie kaum in meinen Armen halten konnte. »Es ist nachgewachsen, das ist alles! Bei dir ist das ganz natürlich, begreifst du das nicht? Es hat nichts zu bedeuten!«
    Sie würgte, versuchte, sich zu beruhigen. Sie berührte das Haar und schrie wieder los, als würde sie gerädert. Sie wollte sich von mir fortreißen und zog wie panisch an ihrem Haar.
    Diesmal schüttelte ich sie wirklich heftig. »Gabrielle!« sagte ich. »Verstehst du mich? Es ist nachgewachsen, und das wird es jedesmal tun, wenn du es abschneidest! Das ist überhaupt nichts Schlimmes, und hör jetzt um Himmels oder um der Hölle willen auf!« Wenn sie nicht aufhört, dachte ich, drehe ich durch. Ich zitterte genauso stark wie sie.
    Schließlich beruhigte sie sich und keuchte nur noch. So hatte ich sie noch nie erlebt, nie in all den Jahren in der Auvergne. Sie ließ sich zu der Bank neben dem Kamin führen und setzte sich hin. Dann legte sie die Hände gegen die Schläfen und rang nach Luft, wobei ihr Körper langsam hin- und herwippte.
    Ich sah mich nach

Weitere Kostenlose Bücher