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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Meine Lippen waren kalt. Aber das Blut war heiß und vermischte sich in unseren Mündern.
    »Gute Nacht, mein Liebstes«, sagte ich. »Mein dunkler Engel Gabrielle.« Sie sank zurück. Ich schloß den Sarkophag.

4
    In dieser schwarzen, unterirdischen Grabkammer wieder aufzustehen, fiel mir nicht ganz leicht. Ich mochte die eisige Luft so wenig wie den fernen Gestank aus der Gefängniszelle, wo all die Toten lagen. Außerdem bemächtigte sich meiner plötzlich eine dunkle Angst. Was, wenn sie nicht aufstehen würde? Was, wenn sie nie wieder die Augen aufschlagen würde? Wie konnte ich denn wissen, was ich da wirklich angerichtet hatte?
    Gleichwohl schien es mir wie eine geradezu obszöne Anmaßung, den Sargdeckel fortzuschieben und sie in ihrem Schlaf zu betrachten. Ich schämte mich wie ein Sterblicher. Zu Hause hätte ich nie gewagt, ihre Tür ohne anzuklopfen zu öffnen, hätte nie gewagt, ihre Bettvorhänge zur Seite zu ziehen.
    Sie würde aufstehen. Sie mußte einfach. Und es wäre freilich besser, wenn sie die Steinplatte selber fortstemmte, damit sie lernte, wie man aufstand, von Durst getrieben den richtigen Moment abpaßte.
    Ich zündete ihr die Fackel an der Wand an und ging einen Moment hinaus, um frische Luft zu schöpfen. Ich ließ Tür und Tor hinter mir offenstehen und begab mich in Magnus’ Zelle, um das letzte Tageslicht vom Himmel schmelzen zu sehen. Ich würde sie schon hören, wenn sie aufwachte, dachte ich.
    So muß eine Stunde verstrichen sein. Das Blau des Himmels verdämmerte, die Sterne gingen auf, und das ferne Paris besprenkelte sich mit unzähligen kleinen Lichtem. Ich erhob mich von der Fensterbank und ging zu der Truhe, um Schmuck für sie auszuwählen.
    Schmuck mochte sie noch immer. Sie hatte ihre alten Andenken ja mitgenommen, ehe sie ihr Zimmer verließ. Um besser sehen zu können, steckte ich die Kerzen an, obwohl das eigentlich nicht nötig war. Mir gefiel einfach, wie die Juwelen im Lichterglanz funkelten. Ich fand ein paar äußerst hübsche Dinge für sie - perlenbesetzte Anstecknadeln, die sie vielleicht gerne am Revers ihres kleinen Herrenmantels tragen würde, und Ringe, die ihren kleinen Händen ein männliches Aussehen verleihen könnten, falls sie das wollte.
    Ich lauschte ab und zu in ihre Richtung. Mein Herz krampfte sich zusammen. Was, wenn sie nicht aufstand? Was, wenn ihr nur diese eine Nacht vergönnt gewesen war? Entsetzen packte mich. Und der ganze Schmuck in der Truhe, das Kerzenlicht, das sich in den Edelsteinen und Goldgeschmeiden brach - es bedeutete nichts!
    Aber ich hörte sie nicht. Ich hörte den Wind draußen, das Rauschen der Bäume, das schwache Gepfeife des Stallburschen, das Wiehern meiner Pferde.
    In der Ferne läutete eine Kirchenglocke.
    Dann hatte ich plötzlich das Gefühl, daß ich beobachtet wurde. Das war so ungewohnt, daß ich fast verrückt wurde. Ich fuhr herum und starrte in die Öffnung des Geheimgangs. Niemand da. Ich ganz allein in diesem kleinen, leeren Heiligtum. Nur das Kerzenlicht huschte über die Steinblöcke und Magnus’ grimmiges Konterfei auf dem Sarkophag.
    Dann richtete ich den Blick auf das vergitterte Fenster vor mir. Und sie sah mich geradewegs an.
    Sie schien in der Luft zu schweben, hielt mit beiden Händen die Gitterstäbe umklammert. Und sie lächelte.
    Beinahe hätte ich laut aufgeschrien. Ich prallte zurück, und am ganzen Körper brach mir der Schweiß aus, einen derartigen Schrecken hatte sie mir eingejagt.
    Aber sie verharrte bewegungslos, noch immer lächelnd, wobei ihr Gesichtsausdruck allmählich von heiterer Ausgelassenheit zu Boshaftigkeit wechselte.
    »Nicht sehr nett, andere Unsterbliche so zu erschrecken«, sagte ich. Sie lachte, ausgelassener als jemals zu Lebzeiten. »Wie bist du bloß hierhergekommen?« fragte ich. Ich ging zum Fenster, langte durch die Gitterstäbe und umklammerte ihre Handgelenke.
    Ihr kleiner Mund bestand nur aus lieblichem Gelächter, und ihr Haar umkränzte ihr Gesicht wie eine schimmernde Mähne.
    »Ich bin die Mauer hochgeklettert«, sagte sie. »Was sonst?«
    »Gut, geh jetzt wieder runter. Das Gitter ist zu eng. Ich treffe dich dann unten und zeige dir den Weg hierher.«
    »Ja, tu das«, sagte sie. »Ich hab’s schon an allen Fenstern versucht. Aber laß uns lieber bei den Zinnen oben treffen. Geht schneller.«
    Sie machte sich an den Aufstieg und war sofort außer Sicht. Und ich eilte nach oben, wo ich sie aufgekratzt fand wie schon in der Nacht zuvor.
    »Warum hängen wir

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