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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gesicht spannte sich; das ganze Gebilde aus hohen Wangenknochen und dunklen, forschenden Augen errötete wunderschön. »Die Kardinalregel lautet…«
    »Louis, du machst es nur noch unwiderstehlicher für mich!« sagte ich.
    »Kommst du mit oder nicht?«
    »Du wirst nicht in dieses Haus gehen.«
    »Siehst du das Fenster da oben?« Ich legte meinen Arm um seine Taille. Nein, er konnte mir nicht entkommen. »In dem Zimmer ist David Talbot. Er schreibt seit einer Stunde an seinem Journal. Er ist zutiefst besorgt. Er weiß nicht, was mit uns geschehen ist. Er weiß, daß etwas geschehen ist, aber er wird es nie richtig herausfinden. Nun, wir werden das Schlafzimmer neben ihm durch das kleine Fenster links betreten.«
    Er gab einen letzten schwachen Protest von sich, doch ich konzentrierte mich auf das Fenster und versuchte, mir einen Riegel vorzustellen. Wieviel Fuß war es entfernt? Ich spürte den Krampf, und dann sah ich, wie hoch oben das kleine Rechteck verbleiten Glases aufschwang. Auch Louis sah es, und während er sprachlos dastand, packte ich ihn fester und fuhr hinauf.
    Binnen einer Sekunde waren wir in dem Zimmer. Ein kleines elisabethanisches Zimmer mit dunkler Täfelung und hübschen Stilmöbeln und einem lustig flackernden Feuer.
    Louis war wütend. Er sah mich böse an, als er jetzt mit schnellen, zornigen Bewegungen seine Kleidung ordnete. Mir gefiel das Zimmer. David Talbots Bücher, sein Bett.
    Und David Talbot starrte uns durch die halboffene Tür seines Arbeitszimmers an, wo er im Licht einer grünbeschirmten Schreibtischlampe saß. Er trug eine hübsche graue Hausjacke mit einem Gürtel um die Taille. In der Hand hielt er seinen Federhalter. Er saß so reglos da wie ein Kleinwild im Wald, das ein Raubtier wittert, vor dem unausbleiblichen Fluchtversuch.
    Oh, war das schön!
    Ich musterte Talbot einen Augenblick lang,, dunkelgraues Haar, klare blaue Augen, feingeschnittenes Gesicht, sehr eindrucksvoll, offen und herzlich. Und die Intelligenz des Mannes war offensichtlich. Alles so, wie Jesse und Khayman es beschrieben hatten. Ich ging in das Arbeitszimmer.
    »Sie werden verzeihen«, sagte ich. »Ich hätte an der Haustür klopfen sollen. Aber ich wollte, daß unser Treffen vertraulich bleibt. Sie wissen natürlich, wer ich bin.«
    Sprachlosigkeit.
    Ich blickte auf den Schreibtisch. Unsere Akten, saubere Ordner mit diversen vertrauten Beschriftungen: »Theátre des Vampires« und »Armand« und »Benjamin, der Teufel«. Und »Jesse«.
    Jesse. Da lag ein Brief von Jesses Tante Maharet neben dem Ordner. Der Brief, in dem stand, daß Jesse tot war.
    Ich wartete und überlegte, ob ich ihn zwingen sollte, zuerst zu sprechen. Aber das war noch nie mein Lieblingsspiel gewesen. Er musterte mich sehr gründlich, unendlich viel gründlicher, als ich ihn gemustert hatte. Er prägte sich mich ein und nutzte dabei kleine Hilfsmittel, die er gelernt hatte, um sich auch später noch an Einzelheiten zu erinnern, gleichgültig, wie schwer ihn das jeweilige Erlebnis erschüttert hatte.
    Er selbst war groß, nicht dick, auch nicht schlank. Eine gute Figur. Große, sehr gut geformte Hände. Auch sehr gepflegt. Ein echter britischer Gentleman; ein Liebhaber von Tweed und Leder und dunklem Holz und Tee und Feuchtigkeit und dem dunklen Park draußen und der wunderbaren Atmosphäre dieses Hauses.
    Er mochte sechsundfünfzig sein oder so. Ein sehr gutes Alter. Er wußte Dinge, die jüngere Männer einfach nicht wissen konnten. Sein heutiges Alter entsprach dem, das Marius in antiken Zeiten erreicht hatte. Für das zwanzigste Jahrhundert war das eigentlich überhaupt noch nicht alt.
    Louis war immer noch im anderen Zimmer, aber Talbot wußte, daß Louis da war. Er blickte jetzt durch die Tür. Und dann sah er wieder mich an.
    Dann stand er auf und verblüffte mich sehr. Er streckte seine Hand aus.
    »Wie geht es Ihnen?« fragte er.
    Ich lachte. Ich ergriff seine Hand und schüttelte sie fest und höflich, wobei ich seine Reaktionen beobachtete, sein Erstaunen, als er bemerkte, wie kalt mein Fleisch war, wie leblos.
    Er war richtig erschrocken. Aber er war auch mächtig neugierig, mächtig interessiert. Dann fragte er sehr liebenswürdig und höflich: »Jesse ist doch nicht tot, nicht wahr?«
    Es ist erstaunlich, was die Briten mit der Sprache anstellen; diese Feinheiten der Höflichkeit! Ganz sicher waren sie die besten Diplomaten der Welt.
    Ich sah ihn ernst an. »O doch«, sagte ich. »Täuschen Sie sich da nicht. Jesse ist

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