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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Pflücke die kleinen wilden Blumen. Würden sie sich ihm öffnen wie im Sonnenlicht, wenn er sie unter die Lampe hielt?
    Aber andererseits mochte er um keinen Preis vergessen. Etwas hatte sich in diesem schmerzhaft durchlebten Augenblick verändert. Sie war aus ihrem langen Schlaf auferstanden! Er hatte sie mit eigenen Augen in einer Straße Athens gesehen! Vergangenheit und Gegenwart waren zu einer Einheit verschmolzen.
     
    Während seine Tränen trockneten, lehnte er sich zurück, lauschte der Musik und dachte nach.
    Tänzer verrenkten sich auf dem erleuchteten Schachbrett vor ihm. Frauen lächelten ihm zu. War er für sie ein hübscher Pierrot aus Porzellan, mit seinem weißen Gesicht und seinen rotgefärbten Wangen? Er blickte auf den Videoschirm, der über dem Raum flimmerte. Seine Gedanken erholten sich in dem Maße wie seine körperlichen Kräfte.
    Dies war die Gegenwart, der Monat Oktober im späten 20. Jahrhundert nach Christi Geburt. Und erst vor ein paar Nächten hatte er die Zwillinge in seinen Träumen gesehen! Nein, es gab kein Zurück. Wirklich quälend war für ihn nur der Anfang, aber das zählte nicht. Er war lebendiger als jemals zuvor.
    Langsam trocknete er sein Gesicht mit einem kleinen Taschentuch. Er wusch sich die Finger in dem Weinglas, das vor ihm stand, als wollte er sie mit Weihwasser benetzen. Und wieder blickte er zu dem Videoschirm empor, wo der Vampir Lestat sein tragisch’ Lied sang.
    Ein blauäugiger Dämon mit wilder gelber Mähne und den muskulösen Armen und der kräftigen Brust eines jungen Mannes. Ungehobelt, doch graziös in seinen Bewegungen, die verführerisch wirkten, die Stimme in sorgfältigem Schmerz modelliert.
    Und all die Zeit hast du zu mir gesprochen, öden Mich gerufen! Ihren Namen gerufen!
    Das Videobild schien ihn anzustarren, ihm zu antworten, ihn anzusingen, während es ihn natürlich überhaupt nicht sehen konnte. JENE, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN! Mein König und meine Königin. Dennoch hörte er aufmerksam zu, jeder Silbe, die sich über das Getöse der Blechbläser und des Schlagzeugs erhob.
    Und erst als Ton und Bild ausgeblendet wurden, erhob er sich und verließ die Bar, um ziellos durch die kühlen Marmorgänge des Hotels und dann hinaus in die Dunkelheit zu wandern. Stimmen drangen auf ihn ein, Stimmen von Bluttrinkern aus der ganzen Welt. Stimmen, die immer dagewesen waren. Sie sprachen von Unheil, von gemeinsamen Anstrengungen, diese entsetzliche Katastrophe zu verhindern. Die Mutter wandelt. Sie sprachen von den Träumen der Zwillinge, Träume, die sie nicht verstanden. Und er hatte all dem Augen und Ohren verschlossen!
    »Es gibt so viel, das du nicht verstehst, Lestat«, flüsterte er.
    Schließlich erklomm er ein kleines Vorgebirge und ließ seinen Blick über die Stadt der Tempel schweifen - geborstener weißer Marmor, der unter mattem Sternenglanz glomm.
    »Verdammt seist du, meine Gebieterin!« flüsterte er. »In die Hölle sollst du fahren für all das, was du uns angetan hast!«
    Aber ein anderer Fluch drang auf ihn ein, viel stärker als sein eigener. Er war ein Jahr nach der schrecklichen Stunde, da er die beiden Frauen vergewaltigt hatte, auf ihn gekommen - ein Fluch, der im Hof des Palastes ausgestoßen wurde, unter einem fernen und gleichgültigen Nachthimmel.
    »Die Geister sollen Zeugen sein, denn sie bergen das Wissen um die Zukunft - was die Zeit bereithält und was ich tun werde: Du bist die Königin der Verdammten! Das Böse ist deine Bestimmung. Aber in der Stunde deiner größten Herrlichkeit werde ich es sein, der dich besiegt. Sieh dir mein Gesicht genau an. Ich bin es, der dir den Garaus machen wird.«
    Wie oft während der ersten Jahrhunderte hatte er sich dieser Worte erinnert? Wo überall in der Wüste und in den Bergen und in fruchtbaren Flußtälern hatte er nach den rothaarigen Schwestern gesucht? Bei den Beduinen, die ihnen einst Unterkunft gewährt hatten, bei den Jägern, die noch immer Tierhäute trugen, und bei den Bewohnern von Jericho, der ältesten Stadt der Welt. Sie waren längst schon eine Legende.
    Und dann hatte ihn der gesegnete Wahnsinn umfangen; alles Wissen, aller Groll und Schmerz waren von ihm gewichen. Er war Khayman, von Liebe erfüllt zu allen, denen er begegnete, ein Wesen, das mit dem Wort Freude etwas anfangen konnte.
    War es möglich, daß die Stunde gekommen war? Daß die Zwillinge irgendwie überdauert hatten, so wie er selbst? Daß ihm für diesen großen Zweck sein Gedächtnis

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