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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ersten Morgenstrahl hatte sie bereits die Lichtung erreicht, und sie war ziemlich überrascht, sie nach fünfzehn Jahren noch gänzlich unverändert vorzufinden, wie auch das verschachtelte Bauwerk, das in den Fuß des Berges getrieben und dessen Terrasse von einem blauen Vorhang aus Weintrauben verhangen war. Weiter oben, halb verborgen in der Böschung, ließen ein paar winzige Geheimfenster das erste Morgenlicht durch.
    Sie kam sich wie ein Spion vor, als sie, mit dem alten Schlüssel in der Hand, die Stufen zur Tür emporging. Offenbar war hier schon seit Monaten kein Mensch mehr gewesen. Staub und Blätter, wohin das Auge blickte.
    Doch die Rosen erwarteten sie in kristallenen Vasen, und der Brief war für sie an die Tür gesteckt worden, mit dem neuen Schlüssel im Umschlag.
    Stundenlang durchwanderte, durchforschte sie das erinnerungsträchtige Haus. Es machte nichts aus, daß sie müde, die ganze Nacht hindurch gefahren war. Sie mußte lange Gänge durchmessen, um zu den riesigen und überwältigenden Räumen zu gelangen. Niemals zuvor war ihr diese Stätte so sehr wie ein primitiver Palast vorgekommen, mit seinen gewaltigen Balken, die über die Holzdecken liefen, den rostigen Rauchfängen, die sich über runden, steinernen Feuerstellen erhoben.
    Sogar die Möbel waren wuchtig - die Mühlsteintische, die Stühle und Sofas aus unbearbeitetem Holz, auf denen weiche Kissen lagen, die Bücherregale und Nischen, die in die ungestrichenen Lehmziegelwände geschlagen waren.
    Dieser Ort hatte etwas von mittelalterlicher Würde. Die kleinen MayaKunstgegenstände, die etruskischen Schalen und hethitischen Statuetten schienen hierher zu gehören. Das Ganze glich einer Festung. Man fühlte sich sicher.
    Nur Maharets eigene Werke waren leuchtend bunt, als habe sie die Farben von den Bäumen und dem Himmel gewonnen. Weiche, dicke Teppiche waren mit Waldblumen- und Grasmustern übersät, als seien sie die Erde selbst. Und da waren die zahllosen gesteppten Kissen mit ihren eigentümlichen Strichmännchen und Symbolen und schließlich die überdimensionalen, herabhängenden Decken moderne Gobelins, die die Wände mit kindlichen Bildern von Feldern überzogen, von Flüssen, Bergen und Wäldern, mit Himmeln, auf denen Sonne und Mond gleichzeitig leuchteten, mit prächtigen Wolken und sogar niederströmendem Regen. Sie waren lebensprall wie naive Gemälde mit ihren Abertausenden kleiner Stoffstücke, die so sorgsam zusammengenäht waren, daß selbst Wasserfälle und niederschwebende Blätter in allen Einzelheiten zu erkennen waren. Das alles wiederzusehen, raubte Jesse fast die Sinne. Durch die lange schlaflose Nacht hungrig und übermütig geworden, fand sie gegen Mittag den Mut, den Riegel zur hintersten Tür zu öffnen, die in die fensterlosen Geheimkammern innerhalb des Berges selbst führte.
     
    Atemlos ging sie den steinernen Gang entlang. Ihr Herz klopfte, als sie die Bibliothek unverschlossen vorfand, und sie drehte das Licht an.
    Ach, vor fünfzehn Jahren hatte sie den glücklichsten Sommer ihres Lebens hier verbracht. All ihre späteren wundervollen Abenteuer, während sie Geister für die Talamasca aufspürte, waren nichts im Vergleich zu dieser magischen und unvergeßlichen Zeit gewesen.
    Sie und Maharet am flackernden Kamin zusammen, in dieser Bibliothek. Und die zahllosen Bände mit der Familiengeschichte, die sie immer wieder in Erstaunen und Entzücken versetzte. Der Stammbaum der »Großen Familie«, wie Maharet stets zu sagen pflegte -»der Faden, an dem wir uns im Labyrinth des Lebens halten.« Wie liebevoll hatte sie für Jesse die Bücher aus den Regalen genommen, ihr die Truhen geöffnet, die die alten Pergamentrollen enthielten.
    Damals hatte Jesse die volle Bedeutung all dessen nicht ganz begriffen. Eine leichte Verwirrung hatte sich ihrer bemächtigt, als gehörten die Schriftzüge auf den Dokumenten eher einem Traum als der Wirklichkeit an. Und das, obwohl Jesse bereits eine erfahrene Archäologin war. Sie hatte an Ausgrabungen in Ägypten und in Jericho mitgewirkt. Dennoch konnte sie diese seltsamen Hieroglyphen nicht entziffern. Gütiger Himmel, wie alt waren diese Dinger eigentlich?
    Noch Jahre später versuchte sie sich anderer Dokumente zu erinnern. Zweifellos hatte sie eines Morgens die Bibliothek betreten und ein Hinterzimmer mit einer unverschlossenen Tür entdeckt.
    Einen langen Flur war sie entlanggegangen, vorbei an anderen dunklen Räumen. Nachdem sie den Lichtschalter ertastet hatte,

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