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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ursprung in diesem Augenblick, da du die Hand nach mir ausstrecktest und mich aus diesem Bett holtest.«
    »Nein, du kannst mir nicht die ganze Schuld geben. Das akzeptiere ich nicht. Zeugt denn ein Vater auch die Verbrechen, die sein Kind begeht? Also schön, und wenn es so ist? Wen gäbe es denn, der darüber Buch rühren könnte? Das ist doch das Problem; siehst du das nicht? Es gibt niemanden.«
    »Ist es deshalb richtig, daß wir töten?«
    »Ich habe dir Leben gegeben, Claudia. Nicht für alle Zeit, nein, aber es war Leben, und selbst unser Leben ist besser als der Tod.«
    »Wie du lügen kannst, Lestat. ›Selbst unser Leben‹, sagst du. Die Wahrheit ist: Du findest unser verfluchtes Leben besser als das Leben selbst. Gib’s doch zu. Schau dich doch an da unten in deinem menschlichen Körper. Wie sehr hast du ihn gehaßt.«
    »Das stimmt. Ich gebe es zu. Aber jetzt wollen wir dich einmal aus ehrlichem Herzen sprechen hören, meine kleine Schönheit, meine kleine Zauberin. Hättest du wirklich den Tod in diesem winzigen Bettchen dem Leben vorgezogen, das ich dir geschenkt habe? Komm schon, sag’s mir. Oder ist es hier wie in einem Gericht der Sterblichen, wo der Richter lügen darf und die Anwälte lügen dürfen und nur die Angeklagten die Wahrheit sagen müssen?«
    So nachdenklich schaute sie mich an, und eine rundliche Hand spielte mit dem bestickten Saum ihres Gewandes. Als sie den Blick senkte, schimmerte das Licht zart auf ihren Wangen und auf ihrem kleinen, dunklen Mund. Ah, welch eine Kreation. Die Vampirpuppe.
    »Was wußte ich denn? Hatte ich eine Wahl?« Sie blickte starr vor sich hin; ihre Augen waren groß und glasig und voller Licht. »Ich hatte noch kein vernünftiges Alter erreicht, als du dein dreckiges Werk an mir tatest, und übrigens, Vater, ich wollte immer schon wissen: Hat es dir Spaß gemacht, mich das Blut aus deinem Handgelenk saugen zu lassen?«
    »Das ist nicht wichtig«, flüsterte ich, und ich wandte den Blick von ihr zu dem sterbenden Kind unter seiner Decke. Ich sah die Krankenschwester in ihrem zerlumpten Kleid, das Haar im Nacken festgesteckt, wie sie sich lustlos zwischen den Betten hin- und herbewegte. »Sterbliche Kinder werden in Lust empfangen«, sagte ich, aber ich wußte nicht mehr, ob sie noch zuhörte. Ich wollte sie nicht ansehen. »Ich kann nicht lügen. Es ist gleichgültig, ob es einen Richter oder Geschworene gibt. Ich …«
    »Versuchen Sie nicht zu sprechen. Ich habe Ihnen eine Kombination von Medikamenten gegeben, die Ihnen helfen werden. Das Fieber sinkt bereits. Wir sind dabei, den Blutandrang in Ihrer Lunge zu stoppen.«
    »Laß mich nicht sterben, bitte nicht. Es ist noch alles unvollendet und monströs. Ich fahre zur Hölle, wenn es sie gibt, aber ich glaube nicht, daß es sie gibt. Wenn, dam ist sie ein Hospital wie dieses hier, nur daß es voller kranker Kinder, sterbender Kinder ist. Aber ich glaube, es gibt nur den Tod.«
    »Ein Hospital voller Kinder?«
    »Ah, sieh doch, wie sie dich anlächelt, wie sie dir die Hand auf die Stirn legt. Die Frauen lieben dich, Lestat. Sie liebt dich, selbst in diesem Körper. Schau sie dir an. Solche Liebe.«
    »Warum sollte ihr etwas an mir liegen? Sie ist eine Krankenschwester, oder? Und ich bin ein sterbender Mann.«
    »Und ein so schöner sterbender Mann. Ich hätte wissen müssen, daß du diesen Tausch nur vornimmst, wenn dir jemand einen wunderschönen Körper bietet. Was für ein eitles, oberflächliches Wesen du doch bist! Sieh dir dieses Gesicht an. Hübscher als dein eigenes.«
    »So weit würde ich nun nicht gehen!«
    Sie schenkte mir ein raffiniertes Lächeln, und ihr Gesicht leuchtete in dem halbdunklen, tristen Zimmer.
    »Keine Sorge, ich bleibe bei Ihnen. Ich werde hier bei Ihnen sitzen, bis es Ihnen bessergeht.«
    »Ich habe so viele Menschen sterben sehen. Ich habe ihren Tod verursacht. Er ist so einfach und tückisch, der Augenblick, wenn das Leben aus dem Körper entweicht Es schlüpft ganz einfach davon.«
    »Sie sagen verrückte Dinge.«
    »Nein, was ich sage, ist die Wahrheit, und Sie wissen es auch. Ich kann nicht sagen, ich werde es wiedergutmachen, wenn ich am Leben bleibe. Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Aber ich habe eine Todesangst vor dem Sterben. Lassen Sie meine Hand nicht los.«
    »Lestat, warum sind wir hier?«
    Louis?
    Ich blickte auf. Er stand in der Tür des primitiven kleinen Hospitals, verwirrt, ein bißchen zerzaust, wie er aussah nach der Nacht, in der ich ihn

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