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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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geschaffen hatte: nicht mehr wie der zornige, geblendete Sterbliche, sondern der dunkle Gentleman mit der Stille im Blick und der endlosen Geduld eines Heiligen in der Seele.
    »Hilf mir auf«, sagte ich. »Ich muß sie aus dem Bettchen nehmen.«
    Er streckte die Hand aus, aber er war so verwirrt. Hatte er keinen Anteil an dieser Sünde? Nein, natürlich nicht, weil er immer patzte und litt und für alles büßte, noch während er es tat. Ich war der Teufel. Ich war der einzige, der sie aus dem Bettchen nehmen konnte.
    Zeit, den Arzt anzulügen. »Das Kind da, das ist mein Kind.«
    Und er wäre so froh, eine Last weniger zu haben.
    »Nehmen Sie sie, Monsieur, und vielen Dank.« Er warf einen dankbaren Blick auf die Goldmünzen, die ich auf das Bett legte. Natürlich tat ich das. Natürlich versäumte ich nicht, ihnen zu helfen. »Ja, ich danke Ihnen. Gott segne Sie.« Das wird er sicher tun. Er hat es immer getan. Ich segne ihn auch.
    »Schlafen Sie jetzt. Sobald wir ein Zimmer frei haben, schieben wir Sie hinein, dann haben Sie’s bequemer.«
    »Warum sind hier so viele? Bitte verlassen Sie mich nicht.«
    »Nein, ich bleibe hier bei Ihnen. Ich bleibe hier sitzen.«
    Acht Uhr. Ich lag auf der Bahre und hatte die Nadel im Arm, und der Plastikbeutel mit der Flüssigkeit reflektierte das Licht so schön, und ich konnte die Uhr genau erkennen. Langsam drehte ich den Kopf.
    Eine Frau war da. Sie trug jetzt ihren Mantel, rabenschwarz über den weißen Strümpfen und den dicken, weichen weißen Schuhen. Sie hatte das Haar amHinterkopf zu einem dicken Knoten geschlungen, und sie las. Sie hatte ein breites Gesicht mit starken Knochen und klarer Haut, und sie hatte große nußbraune Augen.
    Ihre Brauen waren dunkel und makellos geformt, und als sie aufblickte, gefiel mir
    ihr Gesichtsausdruck. Lautlos schloß sie ihr Buch und lächelte.
    »Es geht Ihnen besser«, sagte sie. Eine volle, sanfte Stimme. Ein zarter bläulicher Schatten unter ihren Augen.
    »Ja?« Das Geräusch tat mir in den Ohren weh. So viele Menschen. Türen, die sich wispernd öffneten und schlössen.
    Sie stand auf, kam über den Korridor herüber und nahm meine Hand.
    »O ja, viel besser.«
    »Dann werde ich es überleben?«
    »Ja«, sagte sie, aber sie war nicht sicher. Wollte sie, daß ich es ihr ansah? »Lassen Sie mich nicht in diesem Körper sterben«, sagte ich und befeuchtete mir mit der Zunge die Lippen. Sie waren so trocken! O Gott, wie ich diesen Körper haßte, wie ich das Wogen der Brust haßte und sogar die Stimme, die über meine Lippen kam. Der Schmerz hinter meinen Augen war unerträglich.
    »Jetzt fangen Sie schon wieder an«, sagte sie, und ihr Lächeln wurde strahlender. »Bleiben Sie doch bei mir sitzen.«
    »Das tue ich doch. Ich habe Ihnen gesagt, ich gehe nicht weg. Ich bleibe hier bei Ihnen.«
    »Helfen Sie mir, und Sie helfen dem Teufel«, flüsterte ich warnend.
    »Das haben Sie mir schon einmal gesagt.«
    »Wollen Sie die ganze Geschichte hören?«
    »Nur, wenn Sie dabei ruhig bleiben und wenn Sie sich Zeit lassen mit dem Erzählen.«
    »Was für ein hübsches Gesicht Sie haben. Wie heißen Sie?«
    »Gretchen.«
    »Sie sind Nonne, nicht wahr, Gretchen?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich sehe es Ihnen an. Ihre Hände, zum Beispiel, der kleine silberne Trauring, und etwas in Ihrem Gesicht, etwas Strahlendes - das Strahlen derer, die glauben. Und die Tatsache, daß Sie bei mir geblieben sind, Gretchen, als die anderen Ihnen sagten, Sie sollten weitergehen. Ich erkenne Nonnen, wenn ich sie sehe. Ich bin der Teufel, und wenn ich das Gute sehe, erkenne ich es.« Waren das Tränen in ihren Augen? »Sie machen sich über mich lustig«, sagte sie. »Ich habe ein kleines Namensschild da an der Tasche. Es zeigt, daß ich Nonne bin, nicht wahr? Schwester Marguerite.«
    »Das habe ich nicht gesehen, Gretchen. Und ich wollte Sie nicht zum Weinen bringen.«
    »Es geht Ihnen besser, viel besser. Ich glaube, Sie werden wieder gesund werden.«
    »Ich bin der Teufel, Gretchen. Oh, nicht Satan selbst, der Sohn des Morgens, ben Sharar. Aber böse, sehr böse. Ein Dämon erster Ordnung ganz gewiß.«
    »Sie träumen. Das ist das Fieber.«
    »Wäre das nicht herrlich? Gestern stand ich im Schnee und versuchte mir genauso etwas vorzustellen - daß all mein böses Leben nur der Traum eines sterblichen Menschen sei. Aber Pech gehabt, Gretchen. Der Teufel braucht Sie. Der Teufel weint. Er möchte, daß Sie seine Hand halten. Sie haben doch keine Angst vor

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