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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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grau gedeckten Häuschen, offenbar einem Dienstbotenhaus oder Gästequartier, das in einiger Entfernung vom Haupthaus stand.
    Die Zimmer waren gemütlich und warm. Gern hätte ich mich in das saubere Bett sinken lassen, aber dazu war ich zu schmutzig, und so bestand ich darauf, diesen abscheulichen Körper baden zu dürfen. Gretchen protestierte nachdrücklich. Ich sei krank, sagte sie; ich könne jetzt nicht baden. Aber ich wollte nicht hören. Ich suchte das Badezimmer, und als ich es gefunden hatte, weigerte ich mich, wieder herauszukommen.
    Dann schlief ich wieder ein; ich lehnte an der Kachelwand, während Gretchen die Wanne vollaufen ließ. Der Dampf fühlte sich angenehm an. Ich sah Mojo vor dem Bett liegen, eine wolfsähnliche Sphinx; er beobachtete mich durch die offene Tür. Ob sie fand, daß er aussah wie der Teufel?
    Ich war groggy und unglaublich matt, und trotzdem redete ich mit Gretchen und versuchte ihr zu erklären, wie ich in diese Lage gekommen war und daß ich Louis in New Orleans erreichen müsse, damit er mir das mächtige Blut gäbe.
    Mit leiser Stimme erzählte ich ihr viele Dinge auf englisch und benutzte das Französische nur dann, wenn ich aus irgendeinem Grund nicht das Wort finden konnte, das ich suchte; ich verbreitete mich endlos über das Frankreich meiner Zeit und die primitive kleine Kolonie New Orleans, in der ich danach existiert hatte; ich berichtete, wie wunderbar die neue Zeit sei und wie ich für eine kurze Zeit Rockstar geworden war, weil ich dachte, daß ich als Symbol des Bösen etwas Gutes würde bewirken können.
    War das menschlich, daß ich mir ihr Verständnis wünschte, oder meine verzweifelte Angst, in ihren Armen zu sterben, ohne daß jemand erfahren würde, wer ich gewesen war oder was sich ereignet hatte?
    Ah, aber die anderen, sie wußten es, und sie waren nicht gekommen, um mir zu helfen.
    Ich erzählte ihr auch das alles. Ich sprach von den Alten und ihrer Mißbilligung. Was gab es, was ich ihr nicht erzählte? Aber sie mußte verstehen, vorzügliche Nonne, die sie war, wie sehr ich mir gewünscht hatte, als Rocksänger Gutes zu bewirken.
    »Das ist die einzige Möglichkeit, wie der buchstäbliche Teufel Gutes tun kann«, sagte ich. »Sich in einem Tableau selbst zu spielen, um das Böse aufzudecken. Es sei denn, man glaubt, er tue Gutes, wenn er Böses tut, aber das würde ein Ungeheuer aus Gott machen, nicht wahr? - der Teufel ist einfach ein Teil des göttlichen Plans.«
    Sie schien sich diese Reden mit kritischer Aufmerksamkeit anzuhören. Aber es überraschte mich nicht, als sie antwortete, der Teufel sei kein Bestandteil von Gottes Plänen gewesen. Ihre Stimme war leise und voller Demut. Sie zog mir die schmutzigen Sachen aus, während sie sprach, und ich glaube, sie wollte eigentlich überhaupt nicht reden, versuchte aber, mich zu beruhigen. Der Teufel sei der Mächtigste unter den Engeln gewesen, sagter sie, und er habe Gott aus Hochmut zurückgewiesen. Das Böse könne nicht Bestandteil von Gottes Plan sein.
    Als ich sie fragte, ob sie wisse, wie viele Argumente dagegen sprächen und wie unlogisch es sei, wie unlogisch das ganze Christentum sei, antwortete sie ruhig, das sei nicht wichtig. Wichtig sei, daß Gutes getan werde. Das sei alles. Ganz einfach.
    »Ah, ja, dann verstehen Sie es also.«
    »Völlig«, sagte sie zu mir.
    Aber ich wußte, daß es nicht stimmte.
    »Sie sind gut zu mir«, sagte ich und küßte sie sanft auf die Wange, als sie mir ins warme Wasser half.
    Ich ließ mich in die Wanne zurücksinken, sah zu, wie sie mich badete, und bemerkte, daß es sich gut anfühlte, das warme Wasser an meiner Brust, das sanfte Streicheln des Schwamms über meine Haut. Aber wie lang sich dieser menschliche Körper anfühlte! Wie seltsam lang die Arme! Ein Bild aus einem alten Film kam mir in den Sinn - wie Frankensteins Monster umherschwankte und die Hände baumeln ließ, als gehörten sie nicht an die Enden seiner Arme. Ich fühlte mich wie dieses Ungeheuer. Ja, es trifft die Wahrheit genau, wenn ich sage, ich fühlte mich als Mensch ganz und gar monströs.
    Anscheinend sagte ich auch etwas in der Art. Sie ermahnte mich, still zu sein. Mein Körper sei stark und schön, sagte sie, und nicht unnatürlich. Sie wirkte zutiefst besorgt. Ich schämte mich ein bißchen, als ich mir von ihr Haare und Gesicht waschen ließ, aber sie erklärte, eine Krankenschwester tue so etwas jeden Tag.
    Sie habe ihr Leben in Missionsstationen im Ausland verbracht,

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