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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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füllten meine Teetasse mit Urin. Nach sieben Tagen dachte ich, ich werde verrückt. Meine Reaktion hatte sich von Ärger und Ungläubigkeit in schieres Entsetzen verwandelt. Teller flogen vor mir vom Tisch. Glocken läuteten in meinen Ohren. Flaschen flogen krachend aus dem Regal. Und wo immer ich hinging, sah ich dunkle Gesichter, die mich beobachteten.«
    »Und Sie wußten, daß es diese Frau war?«
    »Anfangs nicht. Aber schließlich brach Carlos zusammen und beichtete mir alles. Seine Mutter hatte nicht vor, den Fluch zurückzunehmen, bevor ich nicht abreiste. Na, ich reiste noch am selben Abend ab.
    Ich kam nach London zurück, erschöpft und halb von Sinnen. Aber es nützte nichts. Sie waren mitgekommen. Die gleichen Dinge begannen hier in Talbot Manor. Türen schlugen zu, Möbel spielten verrückt, unten in der Dienstbotenküche klingelte dauernd die Glocke. Alle wurden verrückt. Und meine Mutter… meine Mutter war mehr oder weniger eine Spiritualistin, die in London ständig zu irgendwelchen Medien rannte. Sie brachte die Talamasca ins Spiel. Ich erzählte dort die ganze Geschichte, und sie fingen an, mir zu erklären, was Candomble und Spiritismus war.«
    »Und haben sie die Dämonen ausgetrieben?«
    »Nein. Aber nach ungefähr einer Woche intensiver Studien in der Bibliothek des Mutterhauses und ausgedehnten Gesprächen mit den paar Mitgliedern, die schon einmal in Rio gewesen waren, gelang es mir, die Dämonen selbst unter Kontrolle zu bekommen. Alle waren ziemlich überrascht. Und als ich beschloß, wieder nach Brasilien zu fahren, waren sie erstaunt. Sie warnten mich: Diese Priesterin sei mächtig genug, um mich zu töten.
    ›Das ist es ja gerader sagte ich. »Solche Macht will ich auch. Ich werde ihr Schüler werden. Sie wird es mir beibringen.‹ Sie flehten mich an, es bleibenzulassen. Ich versprach ihnen einen schriftlichen Bericht nach meiner Rückkehr. Sie können sich denken, wie mir zumute war. Ich hatte das Wirken dieser unsichtbaren Wesen gesehen. Ich hatte gefühlt, wie sie mich berührten. Ich hatte Gegenstände durch die Luft fliegen sehen. Ich glaubte, die große Welt des Unsichtbaren werde sich mir auftun. Ich mußte hin. Nein, nichts hätte mich davon abbringen können. Überhaupt nichts.«
    »Ja, ich verstehe«, sagte ich. »Es war in der Tat so aufregend wie die Großwildjagd.«
    »Genau.« Er schüttelte den Kopf. »Das waren Zeiten. Ich glaubte vermutlich, wenn der Krieg mich nicht umgebracht habe, könne mich überhaupt nichts umbringen.« Er versank plötzlich in Erinnerungen, die mir verschlossen blieben.
    »Und Sie haben die Frau zur Rede gestellt?«
    Er nickte.
    »Sie zur Rede gestellt und sie beeindruckt, und sie dann bestochen, wie sie es in ihren wildesten Träumen nicht erwartet hatte. Ich schwor ihr auf den Knien, daß ich lernen wollte und daß ich nicht wieder weggehen würde, ehe ich in das Geheimnis eingedrungen sei und alles gelernt hätte, was ich lernen könnte.« Er lachte leise. »Ich bin nicht sicher, daß die Frau je einem Anthropologen begegnet war, und sei es nur einem Amateur; vermutlich konnte man mich als einen solchen bezeichnen. Aber wie auch immer: Ich blieb ein Jahr in Rio. Und glauben Sie mir, es war das bemerkenswerteste Jahr meines Lebens. Am Ende verließ ich die Stadt nur, weil ich wußte, wenn ich es jetzt nicht täte, würde ich es nie mehr tun. David Talbot, den Engländer, hätte es dann nicht mehr gegeben.«
    »Sie haben gelernt, die Geister heraufzubeschwören?« Er nickte. Wieder erinnerte er sich und sah Bilder, die ich nicht sehen konnte. Er war besorgt, ein bißchen traurig. »Ich habe alles aufgeschrieben«, sagte er schließlich. »Es ist in den Akten im Mutterhaus. Viele, viele haben die Geschichte im Laufe der Jahre gelesen.«
    »Und Sie waren nie versucht, sie zu veröffentlichen?«
    »Das kann ich nicht. Das gehört zur Mitgliedschaft in der Talamasca. Wir veröffentlichen niemals außerhalb.«
    »Und Sie befürchten, daß Sie Ihr Leben vergeudet haben, nicht wahr?«
    »Nein. Das eigentlich nicht… Obwohl es stimmt, was ich vorhin gesagt habe. Ich habe die Geheimnisse des Universums nicht gelöst. Ich bin nicht einmal über den Punkt hinausgekommen, den ich schon in Brasilien erreicht hatte. Oh, es gab danach noch schockierende Offenbarungen. Ich erinnere mich noch an die erste Nacht, in der ich die Akten über die Vampire las: wie ungläubig ich war - und dann die seltsamen Augenblicke, als ich in die Kellergewölbe kam und das

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