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Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr

Titel: Chronik der Vampire 04 - Nachtmahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sich niemals anders überlegen kann, was das Teufelsein angeht. Das ist eine Beleidigung für unseren Verstand, eine solche Idee.«
    »Und was ist dann Ihre Wahrheit hinter der Lüge?«
    »Er ist nicht absolut unrettbar verloren. Er ist bloß ein Teil von Gottes Plan. Er ist ein Geist, dem es erlaubt ist, die Menschen zu versuchen und auf die Probe zu stellen. Sehen Sie, das war die Natur seines Sturzes, wie ich es sehe. Der Teufel glaubte nicht, daß die Sache funktionieren würde. Aber der Schlüssel, Lestat, besteht darin, zu begreifen, daß Gott Materie ist! Gott ist physisch, Gott ist der Herr der Zellteilung, und dem Teufel ist es ein Greuel, diese exzessive, wild wuchernde Zellteilung geschehen zu lassen.«
    Wieder versank er in einer seiner aufreizenden Pausen; seine Augen weiteten sich erstaunt, und dann sagte er:
    »Ich habe noch eine Theorie über den Teufel.«
    »Nämlich?«
    »Es gibt mehr als nur einen. Und keiner von denen, die dazu abgestellt werden, mag seinen Job besonders.« Er murmelte fast, und er wirkte abgelenkt, als wolle er noch mehr sagen, tat es aber nicht.
    Ich lachte laut auf.
    »Also, das kann ich verstehen«, sagte ich. »Wem würde der Job des Teufels Spaß machen? Schon allein die Vorstellung, daß man unmöglich gewinnen kann. Und vor allem, wenn man bedenkt, daß der Teufel ein Engel war, als alles anfing, und angeblich sehr clever.«
    »Genau.« Er deutete mit dem Finger auf mich. »Ihre kleine Geschichte über Rembrandt. Wenn der Teufel Verstand hätte, dann hätte er Rembrandts Genie anerkennen müssen.«
    »Und das Gute in Faust.«
    »Ach ja, Sie haben mich in Amsterdam den Faust lesen sehen, nicht wahr? Und haben sich daraufhin selbst ein Exemplar gekauft.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Der Besitzer der Buchhandlung hat es mir am nächsten Nachmittag erzählt. Ein seltsamer blonder junger Franzose sei hereingekommen, wenige Augenblicke nachdem ich gegangen sei, habe das gleiche Buch gekauft und dann eine halbe Stunde lang bewegungslos auf der Straße gestanden und gelesen. Die weißeste Haut, die der Mann je gesehen hatte. Das mußten natürlich Sie gewesen sein.«
    Ich schüttelte den Kopf und lächelte. »Ich mache solche ungeschickten Sachen. Es ist ein Wunder, daß mich nicht schon irgendein Wissenschaftler in seinem Netz gefangen hat.«
    »Das ist kein Witz, mein Freund. Sie waren sehr unvorsichtig, neulich nachts in Miami. Zwei Opfern alles Blut restlos auszusaugen.«
    Dies erweckte augenblicklich solche Verwirrung in mir, daß ich erst gar nichts sagte und dann nur, daß es ein Wunder sei, wie die Nachricht ihn auf dieser Seite des Meeres habe erreichen können. Und ich fühlte, wie die alte Verzweiflung mich mit ihren schwarzen Schwingen anrührte.
    »Bizarre Morde bringen internationale Schlagzeilen«, sagte er. »Außerdem erhält die Talamasca Berichte über alles mögliche. Wir haben in jeder Stadt Leute, die Zeitungsausschnitte für uns sammeln und uns Artikel zu allen Aspekten des Paranormalen für unsere Archive schicken. ›Vampir-Killer in Miami schlägt zweimal zu.‹ Mehrere Informanten haben es uns gemeldet.«
    »Aber man glaubt nicht wirklich, daß es ein Vampir war; das wissen Sie.«
    »Nein, aber machen Sie so weiter, und man wird es irgendwann glauben. Darauf haben Sie es schon einmal angelegt, während Ihrer kleinen Karriere als Rockmusiker. Sie wollten, daß man etwas merkt. Unvorstellbar ist es nicht. Und dieser Sport, den Sie mit Ihren Serienmördern treiben! Sie hinterlassen eine breite Spur davon.«
    Das setzte mich nun wirklich in Erstaunen. Meine Jagd auf die Mörder hatte mich hin und her und quer durch die Kontinente gerührt. Nie hätte ich gedacht, daß irgend jemand diese weit verstreuten Mordfälle miteinander in Verbindung bringen würde, außer Marius natürlich.
    »Wie sind Sie darauf gekommen?«
    »Das habe ich Ihnen doch gesagt. Solche Geschichten erreichen uns immer. Satanismus, Vampirismus, Voodoo, Hexerei, Werwolfsichtungen - alles geht über meinen Tisch. Das meiste landet natürlich im Papierkorb. Aber ich erkenne das Körnchen Wahrheit, wenn ich es sehe. Und Ihre Morde sind sehr leicht zu erkennen.
    Sie sind jetzt schon seit einer ganzen Weile hinter diesen Massenmördern her. Sie lassen ihre Leichen offen herumliegen. Den letzten haben Sie in einem Hotel zurückgelassen, wo er nur eine Stunde nach seinem Tod gefunden wurde. Und was die alte Frau angeht, waren Sie genauso nachlässig. Ihr Sohn hat sie am nächsten Tag gefunden.

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